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Das letzte Boot

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Das letzte Boot (eine wahre Geschichte)


Mit den Episoden:  1. Das Haus muss weg oder wie ich zum Boot kam!  -  3. Als ich es dann hatte

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Episode 1 - Das alte Haus muss weg oder wie ich zum Boot kam!

An einem der letzten kalten Winter im letzten Jahrtausend habe ich es endgültig satt: das alte Haus muss weg! Zu viel Arbeit damit, die ich nicht liebe. Unkomfortables Wohnen, aber keine Neigung, an irgendwelchen Verbesserungen zu arbeiten und gar dafür Geld auszugeben. In 25 Jahren habe ich beispielsweise (außer als die Fassade geputzt wurde) ganze fünf Sack Zement gekauft - und drei davon noch hart werden lassen! Im Haus benutze ich im Winter nur ein Zimmer. Und wenn es Frühling wird, fürchtete ich die nahenden schönen Tage. Denn dann durfte ich nicht mehr am Schreibtisch oder am Computer sitzen, sondern hatte draußen im Garten zu werkeln. Der moralische Druck der Sonne und der wuchernden Vegetation! Und im Sommer war ich gewöhnlich auf Reisen. Also, was habe ich eigentlich von Haus und Garten? Ein Zimmer, Wildwuchskämpfe, Rasenmähen und Fallobstbeseitigung! Nein, das Haus muss weg. Viele ältere Leute reden so, wissen um die kommende Notwendigkeit und tun es dann doch nicht, denn dieser Schritt ist unumkehrbar.

              

 

Lebensentwürfe

Ich stelle mir vor: Dachterrasse mit zwei Zimmern am Wasser, in der Nähe ein Boot als mobile Laube (und statt Rasenmäher nun Angel, Notebook und Badehose) für Schönwettertage und Reise­zwischenzeiten. Und alles finanziert vom Verkaufserlös. Schon lange so gedacht und doch immer wieder aufgeschoben. Aber nach dem letzten kalten Winter im letzten Jahrtausend - da tat ich es!

Über ein halbes Jahr vergeht. Die Wohnung am Wasser ist gefunden. Von meinem Arbeitsplatz aus Terrassenblicke: im Vordergrund der ehemalige GST-Marine­klub, in dem man selbst vor 40 Jahren unterrichtete. Dahinter die Dahme bzw. der Lange See. Im Sommer reduziert das Laub die Sicht drastisch, aber auch unschöne Gebäudeteile verschwinden . . .

              

Also: das Haus hat einen neuen Besitzer. Das Geld parkt auf dem Konto. Das Boot ist - ja was denn überhaupt für ein Boot?

Ich tauche zwar seit über 40 Jahren, aber meine Bootskenntnisse beschränken sich auf das Mitfahren, meist in Schlauchbooten. Und das Rentenalter steht vor der Tür. Die verbleibende Zeit ist überschaubarer geworden. Da gibt es nicht mehr etliche Jahre, um sich vom Einsteigerboot hochzudienen. Und auch nicht das Geld. Aber ein neuer Kahn müsste es schon sein. Ein altes Boot würde, ähnlich dem alten Haus, nur wieder Reparaturen und Ärger bedeuten. Das neue sollte doch wenigstens für den noch zu nutzenden Zeitrahmen ohne großen Ärger und Pflegeaufwand halten.

Der Besuch bei Fachhändlern bringt leider nichts. Die empfehlen nur das, was sie zu verkaufen haben. Und schon bei der ersten Frage, was es denn maximal kosten darf, sollten die Alarmglocken schrillen. Der Händler, der einem Anfänger ein anspruchs­loses 2000-Euro-Boot zum Einfahren empfiehlt, wenn er hört, dass der Kunde gegebenenfalls auch 40.000 parat hätte, ist nicht von dieser Welt. Dito Sportsfreunde, glaube ich. Die verteidigen gewöhnlich das Boot, mit dem sie gerade herumschippern. Und sie würden selbst unter Androhung von Bier- und Grillwurstentzug nicht zugeben, dass sie neidisch den größeren Schiffchen hinterher schielten - oder auch etwas Kleineres viel handlicher, billiger und dennoch ausreichend wäre. Und überhaupt: Segel- oder Motorboot?

Segelboot, der Inbegriff des Sportlichen, der Freiheit der Meere! Ist Francis Chichester nicht mit 65 noch allein um die Welt gesegelt? Aber der ist schon immer gesegelt. Und ehe man das ABC des Segelns beherrschte, ist man 70 - und kennt sich mit Herztabletten und Rheumasalbe viel besser aus als mit Fallen und Schoten. Weiterhin dachte ich, künftig tagelang auf dem Boot auch zu wohnen. Folglich muss es schon größer sein als eine Jolle. Andererseits sollte ich mit dem Teil auch alleine klarkommen – auch ohne unerschwingliche Hightech an Bord, die alles auf Knopfdruck erledigt. Und dann auch noch das Hauptfahrgebiet Berlin: Die vielen Brücken und begrenzten Segelreviere. Tuch und Mast runter, tucker tucker durch die hohle Gasse, Mast hoch, Segel raus, segel segel, Tuch und Mast runter... Das ist vielleicht sportlich, aus meiner Sicht aber echt Arbeit. Und überhaupt: ich wollte das Streichen von Fensterrahmen und Stöbern in Baumärkten keinesfalls tauschen mit abzuschleifenden Bootsteilen und der Hetze durch Jachtshops. Und so erlischt schnell der Traum vom sportlichen Alten, der stolz Triefnase und Gichtknochen in den Wind reckt, noch in der Überlegungsphase. Wie Brecht so schön sagte: Die Verhältnisse, die sind nicht so!

Resümee: Ein größeres Motorboot muss es sein. Die Stege des nahen Bootshauses und die verfügbaren Mittel begrenzen seine Länge auf maximal 6,5 Meter. Diese Größe sollte ausreichen. Habe ich doch auch im 3,5 m langen Trabbi und zuletzt im gleichlangen Twingo auf hotellosen Reisen quer durch Europa wochenlang „gewohnt“. Aber wie gesagt, ein Gebrauchtboot scheidet aus. Eine einmalige Ausgabe jetzt, zehn Jahre schippern und dann das Teil wieder verkaufen. Und solange sollte ein neues GFK-Boot doch auf jeden Fall ohne wesentlichen Aufwand halten. Danach im Sommer leben auf der Terrasse, überwintern auf Lanzarote, Memoiren auf dem Notebook und viele Stapel dicker Bücher. Boot und Supermarkt liegen nur hundertfünfzig, Post und Leihbücherei dreihundert Meter entfernt. Lebensentwürfe. Wie man sie sich so ausdenkt.     nach oben     zur Episode 3     nach unten     home
 

Was für ein Motorboot nun?

Also eine Prioritätenliste aufstellen. Ich plane optimistisch: ich wollte damit vor der Haustür, auf der Ostsee, nach Dänemark und Schweden und etwas im Mittelmeer herum schippern können. Das Boot soll küstenfern fahren dürfen und schnell sein, um bei Wetterverschlechterungen rasch den nächsten Hafen zu erreichen. Mindestens zwei Schlafplätze, WC, Pantry, Heizung sowieso. Und ganz wichtig: man muss im Trocknen fahren und leben können - und zwar nicht nur wie unter Tage oder geschützt durch labile Flatterplanen. Schick auf Werbebildern: ein blaues Meer, Sonne, ein schnittiges offenes Boot und drauf gerekelt ein, zwei Bikinischönheiten. Toll! Und die Realität? Algengrüne Binnengewässer, Regenwolken am Himmel, Pullovertemperaturen. Und Erna? Ach ja, der Bikini ist längst passe. Die Zeit meißelt halt allerorts Spuren. Unsere Welt gleicht eben nicht der Hochglanzwerbung. Nun ja, Binsenweisheiten.

Nun folgt die Prospektphase, das Wälzen von Anzeigen, das Anfordern von Angeboten der Hersteller und die Besuche bei einigen Zwischenhändlern. Der Sommer 2000 neigt sich dem Ende zu. Ich werde ungeduldiger. Das Grübeln und Abwägen nervt. Und das nahe liegende, Messebesuche etc., liegt mir nicht. Ich bin leider - blöd nicht wahr? - ein Fan von Katalogeinkäufen! Alles am besten bequem von Zuhause aus und in einer überschaubaren Auswahl. Das genügt mir. Am 14. Oktober 2000 unterschreibe ich den Kaufvertrag für eine Sessa Ocean 650 mit einem 50-PS-Außen­border, einem italienischen Fischer- und Angelboot. Den Verkaufsprospekt zieren wenigstens keine Bikinimodelle, sondern das übliche Girl ist in einen Friesennerz gehüllt und hantiert mit einem Fischernetz (Copyright der Prospektabbildungen: Sessa Marine). Allerdings bin ich damit gewiss auch der erste Käufer eines 60.000-DM-Bootes, von dem er nicht mehr kennt als einige Daten und ein paar Fotos. Wäre das nicht etwas für das Guinnessbuch?

Der Händler, ein namhafter Berliner Halsabschneider, hat mir eingeredet, ich müsste schon jetzt im Oktober bestellen, wenn ich das Boot zur nächsten Saison haben möchte. Kenne ich die Lieferfristen der Werft? Ich glaube es. Dann die Realität: Anfang Dezember steht es schon in Berlin und ich soll den kompletten Kaufpreis entrichten. Was soll ich im Winter mit einem Boot - und schon jetzt bezahlen, ohne es einmal in Fahrt erlebt zu haben? Ich weigere mich, die angelieferten Einzelkomponenten vorab komplett zu bezahlen. Im Vertrag steht: Bezahlung bei Übergabe. Also lässt der Händler es blitzartig zusammenschrauben und bittet mich wenige Tage später, am 13. Dezember, zur Probefahrt, Übergabe und Bezahlung. Ich dürfte es aber kostenlos bis zum Frühjahr bei ihm stehen lassen.

Eine andere Sache: Ich, Nullahnung, dachte, ein 50-PS-Motor und Verdrängerfahrt genügen. Ich will nicht rasen. Ist okay, sagte der Händler, machen wir. Einige Tage später kamen mir doch Zweifel. Im Verkaufsprospekt hatte man das Boot mit 100 und 130 PS-Motoren getestet und max. sind 260 PS möglich. Ich fragte in einer Boote-Fachredaktion nach. Man riet mir zu 115 PS. Gas wegnehmen, könne ich immer noch. Hm! Großer Motor, viel Sprit, denke ich und entscheide mich schottenmäßig für den Mittelweg: 90 PS. Die Änderung der Bestellung war in diesem Fall natürlich unproblematisch.

Der Techniker begrüßt mich zur Probefahrt mit: „Ein schönes Boot, aber ein bisschen untermotorisiert.“ Nun gut, bei der Probefahrt war es immer noch (laut ungeeichtem Log!) 73 km/h schnell, bot also auch mit dem 90er Reserven. Aber beinahe hätte ich es mit einem zu schwachen Motor gekauft. Ich fragte den Händler, warum er mir nicht von dem 50er abgeraten habe. „Na ja“, antworte er unverblümt, „vielleicht wäre Ihnen dann alles zu teuer gewesen und Sie hätten ganz verzichtet! Außerdem hofften wir natürlich, dass Sie auch den nächsten größeren Motor bei uns kaufen . . .“     nach oben     zur Episode 1     nach unten     home

 

Ich habe Glück gehabt

mit dem Katalogkauf. Das Boot gefällt mir gut und entspricht in etwa meinen Wünschen. Wir vereinbaren die Überführung nach Grünau für zwei, drei Wochen vor Ostern. Ich fahre im Frühjahr nach Spandau. Das Boot dümpelt schon wieder im Wasser (warum eigentlich, denn die Probefahrten sind gemacht und das Boot wird per Trailer überführt?), hat aber noch nicht den als Preisnachlass angebotenen Antifouling-Anstrich. Nebenbei: heute vermute ich, dass eine Osmoseschutz-Grundierung vielleicht wichtiger, doch für den Händler teurer gewesen wäre. Doch was weiß schon ein Greenhorn? „Alles kein Problem“, sagt der Händler, „zum vereinbarten Termin haben Sie ihr Boot.“ Aber dann geht plötzlich nichts mehr. Das Boots­center hat mal keinen Kran, dann wieder keinen freien Trailer oder der Fahrer ist gerade unterwegs. Vier Tage vor Ostern kommt endlich das Boot bei fürchterlichstem Wetter. Das Gelcoat am Bug ziert eine Schramme. Nach Besichtigung meines Bootes wären noch fünf weitere verkauft worden, erfahre ich. Aha, wohl deshalb noch im Wasser und keine Auslieferung möglich. Und bezahlt hatte ich ja schon alles. Man brauchte ein kostenloses Vorführmodell! Denn wer kauft schon ein Boot so simpel wie ich? Der Betriebsstundenzähler des nagelneuen Motors steht auf 3,5 Std. Als Entschädigung für das Warten überreicht der Fahrer eine Flasche billigen Sekt!

Ein freundlicher Hafenmeister hilft, das Boot vom Slip durch Wind und Regenschauer zu dem weiter stromauf befindlichen Bootsliegeplatz zu steuern und festzumachen.

Nun, endlich liegt die Ocean 650 sicher am Bootshaus. Den Mietvertrag erhalte ich einen Monat später. Die Standmiete ist deutlich höher als ursprünglich avisiert. Stets zu betonen, wie sehr man an einem Liegeplatz hier - weil so wohnungsnah - interessiert sei, ist halt keine gute Verhandlungsbasis. Ich zahle fast den höchsten Mietzins! Na ja, wie es eben Greenhörner so geht.

Aber das Boot ist schön und ein naher Liegeplatz auch sehr angenehm. Was soll’s, das Geld ist ja nicht weg, es wechselt nur eben den Besitzer! Alles wechselt. Nichts ist für immer und ewig. Ich laufe nun jeden Morgen die paar Meter hinab zum Wasser und bewundere wie ein verliebter Pennäler mein Boot. Ich mache mich mit den technischen Details vertraut. Wie starte ich, für was sind diese Schalter, wo verstaue ich die Fender, was brauche ich an Bord? Das Wetter wird ständig schöner. Hochsommerliche Temperaturen stellen sich ein. Ist es die frühe Wärme, der Stress und die Sorgen mit und um das Boot der Grund für das, was nun folgt?
 

Von Tag zu Tag

fällt mir das Laufen schwerer. Die unklaren Beschwerden Monate und Jahre zuvor hatten bisher weder Haus-, Augen- noch HNO-Arzt deuten können. Auch eine junge Neurologin findet nichts. Schließlich kann ich mich nur noch am Geländer mit Mühe die vier Treppen zur Wohnung hochziehen. Meine Freundin befiehlt: am Montag gehst du wieder zum Arzt! Ich gehe, na ja, fahre. Der Hausarzt weiß wieder nicht recht und trifft in diesem Fall die richtige Entscheidung. Er ruft eine Kollegin im Stadtbezirk an. „Ich hätte hier einen Patienten, den sie sich mal ansehen sollten. Kann er gleich kommen?“ Er kann. Für diese Neurologin scheint der Fall schon klarer. Am liebsten würde sie mich auf der Stelle in eine Neurologische Klinik einweisen! Ich wehre ab und melde mich erst am nächsten Tag im Unfallkrankenhaus Berlin.

Nach 40 Jahren (damals Tauchunfall!) erstmals wieder als Patient in einem Krankenhaus! Viele Untersuchungen folgen, die ersten Cortisoninjektionen. Ich kann wieder besser laufen. Nach drei Wochen und einem ausführlichen Patientengespräch werde ich entlassen. Diagnose: Multiple Sklerose!

Es ist jetzt Ende Mai, die schönste Jahreszeit. Überall grünt und blüht es. Die Sonne glitzert über dem Wasser. Segelboote gleiten den Fluss entlang. Mein schneeweißes Boot wiegt sich am Steg. - Und ich habe es schwarz auf weiß: unheilbar krank und in der Ferne winkt ein Rollstuhl . . .     nach oben     zur Episode 1     nach unten     home     > zur Bootsbeschreibung
 

Episode 3 - Als ich es dann hatte

Sie ist ganz passabel, meine neue Wohnung am Wasser. Zweihundert Meter entfernt befindet sich ein Bootshaus und hier liegt nun endlich meine Ocean 650, eine Art sportliches Fischer- oder wenigstens doch ein Angelboot. Doch als ich sie hatte, musste ich ins Krankenhaus: Multiple Sklerose oder kurz und beschönigend MS. Ich verschwieg allen meinen Aufenthalt. Nur meine, nun ja, Freundin, Partnerin, Lebensgefährtin oder wie auch immer (inzwischen haben wir aber geheiratet!), kurz Erna genannt, kommt mich fast jeden Tag besuchen. Als ich die Diagnose amtlich habe und dank Cortison wieder leidlich laufen kann, fuhr ich heimlich nach Hause und holte mein Notebook. Drei Tage arbeite ich an einer Bestandsaufnahme und möglichen Perspektive in Form eines Rundschreibens  für mich, für die Verwandten und Bekannten. Kein Gejammer, eher beruhigende Töne. Und wenn ich mich mit etlichen Stationsgenossen im Krankenhaus vergleiche, habe ich wirklich Glück gehabt. Oder wie es in dem gern von mir zitierten irischen Sprichwort heißt: It could be worse! Es könnte schlimmer sein!

Ende Mai werde ich entlassen. Ab sofort hat das Boot wieder Priorität. Wanderungen und Reisen sind ohnehin passé. Maximale Gehstrecke 2,5 km. Nun gut, denke ich, du warst in deinem Leben genug außer Landes. Jetzt hast du erstmalig ein vielseitig nutzbares Boot und damit ist gewiss auch eine neue Welt zu entdecken. Wenn auch mir schon klar ist: bis ans Mittelmeer, wie einst geplant, werde ich wohl nicht mehr schippern. Zu heiß, zu anstrengend!

In den kommenden Wochen kümmere ich mich um fehlendes Zubehör, wälze Kataloge und Bücher und besuche einschlägige Fachgeschäfte. Und am Wochenende  - Erna ist noch berufstätig - proben wir Ausfahrten. Doch ehe ich von des Neulings „Fahrkünsten“ und Erfahrungen berichte, einige hundert Worte zur Ausrüstung des Bootes. Ein gewöhnliches Greenhorn glaubt ja, mit der Scheckübergabe für das Boot sei  bis auf ein paar Kleinigkeiten  dem Geldbeutelschwund erst einmal ein ernsthaftes Veto hingeworfen. Ha!

Und warum nicht? Festmacherleinen, Anker, Fender wurden mitgeliefert, eine 12VSteckdose und Log/Lot eingebaut. Jetzt brauche ich nur noch,  stelle ich mir vor,  Klo (Porta Potti), Angelzeug, Fernglas, Heizung, Kocher, ein paar haushaltsübliche Utensilien und eine Kühlbox. Letztere nicht fürs Bier, sondern für die MS in Schach haltenden Fertigspritzen. Sie mussten zu jener Zeit noch bei Temperaturen zwischen 2 und 8 °C gelagert werden.

Und wo erhält man die paar notwendigen Dinge? Richtig! Manches ist in Baumärkten zu finden, aber für das meiste gibt es Bootszubehörläden und spezielle Versandhändler. Preislich ist der Wechsel vom Baumarkt zum Jachtshop etwa vergleichbar dem Schritt vom Drogeriediscounter zur Apotheke.

Der nächste Fehler,

den ich mache ist, stets nach den billigsten Produkten zu schielen. Dabei weiß ich seit Jahrzehnten meines Taucherlebens und überhaupt: Weil ich nicht viel Geld ausgeben will, kann ich mir nichts Billiges leisten! Aber die Praxis? Genügt dies und das nicht doch? Beispielsweise schlichte Festmacherleinen, deren Elastizität ausgleichend wirken soll? Aber bald erscheinen sie mir zu spillerig und ich ersetze sie sicherheitshalber durch ausreichend dimensionierte Polyester-Leinen (PSE, 12 mm Durchmesser) mit eingespleißstem Auge in Square-Flechtung, stabilen Neoprene-Ruckdämpfern und soliden Karabinerhaken aus rostfreiem Stahl. Habe ich gut gelernt, nicht wahr? Denn zu oft rasen motorisierte Ochsen in Papas offenem Nobelgleiter über den Fluss, stehend hinter dem Steuerrad, mit spiegelnder Designersonnenbrille und offenem Hemd, Bier im Blut und Miami Vice im Sinn. Aber die Dahme hat nun mal nicht die Weite der Floridastraße. Und so lassen die verboten hohen Heckwellen mein armes Boot an den Festmachern wüten wie ein angeketteter brünstiger Stier angesichts einer willigen Kuh.

Oder: Knalliges Sonnenlicht vertrage ich nicht mehr und es verschlimmert MS. Gegen Sonne schützt bekanntlich ein Sonnenschirm. Gibt es billig auf dem Baumarkt. Aber schon die nächst stärkere Böe auf dem Wasser verwandelt uns in Umweltsünder, denn der Schirm entsegelt und versinkt. Also einen Bootsschirm mit spezieller Halterung. Kostet beim Jachthändler gleich das Zehnfache des Baumarktmodells. Aber die nächsten Freiwasserversuche zeigen schnell den Unterschied zum Balkon. Der bewegt sich gewöhnlich nie, das Boot aber oft und stets in die falsche Richtung. Schattenmäßig. Also einen zweiten Schirm, um bei dem steten Lichtwechsel mehr Fläche abzudecken. Besser, aber nicht viel. Der letzte Versuch ist ein die gesamte Freifläche überspannendes Bimini-Sonnendach und das passt. Na ja, jetzt haben wir auch gleich noch zwei große, bunte Regenschirme. Bei Aldi oder Ikea hätten die allerdings nur ein Zehntel gekostet.

Tische besitze ich inzwischen drei. Meinen alten Campingtisch, abgelöst durch einen zusammenklappbaren Bootstisch. Und als mir das stets im Weg stehende Teil zu sehr auf die Nerven ging, ersetzte ich es schließlich durch einen an die Bordwand geschraubten Klapptisch. Und auch das passt nun, aber eben zu jeweils 100 % höheren Kosten. Und warum nicht gleich so? Die Lehrgeldzahlerei ist eine wirklich unerfreuliche Sache!     nach oben     Episode 1     nach unten     Episode 3     home     zurück zum Inhaltsverzeichnis
 

Wenn es an Bord von kleineren Kajütbooten

an etwas mangelt, ist es (nein, nein, nicht Bier!) gewöhnlich elektrische Energie. Zwei mögliche Auswege: Propan (war mir zu heikel) oder sparsamste Elektrogeräte. Ich wälzte die Kataloge, um das energiesparendste Kühlteil zu finden. Nicht das billigste, nicht das größtmöglichste, nicht das komfortabelste, sondern den kleinsten Wattfresser! Ich fand ihn mit durchschnittlich 12 W/h in einer 18-l-Kompressor-Kühlbox! Kein Schnäppchen, aber wenigsten diesen Kauf stelle ich nie in Frage. Auch mit der kleinsten und sparsamsten, mit 1300 W aber ausreichenden Petroleumkabinenheizung von Wallas (4 W und 0,1 l Petroleum je Stunde) bin ich höchst zufrieden!

Bei dem Kocher ist es wieder umgekehrt. Ich hatte mich für einen eleganten Petroleum-Einbaukocher (gleicher Brennstoff wie Heizung!) mit einer Kochplatte entschieden. Für mehr war nicht Platz und mit einer Kochstelle hatte ich auch drei Campingjahrzehnte überstanden. In der Kühlschranknische unter der Kochplatte verschwand der 5-l-Petroleumtank und etwas Geschirr. Die Kühlbox stand in der Koje und wurde stets zur Nacht umgesetzt. Der Kocher  - welch ein Luxus! Den Wasserkessel auf die Herdplatte. Schalter ein und ohne Ruß und offener Flamme brummelte und summte es los. Aber nicht lange danach brummelte plötzlich nichts mehr. Also die folgenden Tage kalter Kaffee!

Der Kocherausbau erwies sich als fast so kompliziert wie der Einbau. Ich ersetzte ihn durch den simplen Origano-Spirituskocher. Da kann wenigstens nichts kaputt gehen. Und er tat auch noch 9 Jahre später klaglos seinen Dienst. Lieber Ruß als kalter Kaffee! Und die Lehre nicht nur des kalten Heißgetränks: alles so robust und einfach wie möglich, aber von guter Qualität. Nun lag zwar jahrelang ein 600-Euro-Kocher im Keller herum (den keiner haben wollte), aber dafür steht die Kühlbox wieder da, wo sie hingehört: in der Kühlschranknische und nicht im Weg.

Zwei Batterien? Nur wenig ist schlimmer, denke ich, als bei jedem Knipsen eines Schalters oder bei einer weiteren Stunde des Kühlboxbetriebs sich fragen zu müssen, ob der Reststrom noch zum Starten des Motors reicht? Also zwei und dabei die übliche Teilung in Starter- und Verbraucherbatterie! Und da der mitgelieferte Akku schadhaft zu sein schien und überdies die Batterien stets gleichen Fabrikats, Alter und Größe sein sollen - Sie wissen schon,  erneut die Geldkarte gezückt . . . Dann hält der mitgelieferte Anker nicht so wie er soll. Also ein Kettenvorläufer zwischengeschaltet. Die Kette aber rasselt nervtötend, klemmt Haut ein und beschädigt das Gelcoat. Nächster Versuch: eine teuere Ankerleine mit Bleieinlage. Und so lief alles nach der Methode „Versuch und Irrtum“, um das für mich Angemessene zu finden.

Alle „besseren“ Boote haben ein kleines Beiboot an Bord. Wird von Fachleuten sehr empfohlen. Wollte ich auch haben: zum Angeln an schwer zugänglichen Stellen, um für Motorboote gesperrte Gewässerteile zu erkunden oder um da an Land gehen zu können, wo man mit der „Ocean“ nicht herankam. Ein Boot von guter Qualität, aber die kleinste und leichteste Variante. Ich hatte nicht viel Platz an Bord und musste es auch allein händeln können. Ich fand meinen Tender in der P 180: weiß, notfalls für 2 Personen, 1,8 m lang, 13 kg schwer und 6 Jahre Garantie! Aber wohin damit? Eine Saison lag es überall im Wege. Dann erinnerte ich mich an meinen Trabbi-Dachgarten! Das wäre die Lösung. Maße abnehmen, Zeichnung machen, sie meinem Installateurschwager in die Hand drücken. Er lötete aus Kupfer-Formteilen ein entsprechendes Gestell. Weiß angestrichen, mit Saugfüßen auf dem Dach abgestützt und mit Gummispannbändern fixiert, trägt es nun Boot, Ankerlicht, und Solarzelle. Benutzt habe ich es kaum,  aber ich könnte ja . . .     nach oben     Episode 1     nach unten     Episode 3     home          > zur Bootsbeschreibung     zurück zum Inhaltsverzeichnis
 

 Ist einer interessiert,

was ich in den ersten zwei Bootsjahren alles anschaffte und glaubte zu brauchen? Ein Excel-Datenblatt,  angelegt zur Selbstbeobachtung,  listete all die finanziellen Grausamkeiten auf. Sie nannten für das Jahr 2000: Bootsnummern, Fernglas, Festmacherset, Ruckdämpfer, Stechpaddel, Edelstahl-Mugs, Feuerlöscher, Benzinkanister, Porta Potti, Fernglashalter, Bootshaken, Bleiankerleine, Sonnenschirme, Klappdraggen, allerlei Leinen, Bootstisch, diverses Kleinzubehör, Startkabel, Kabel und Kabelschuhe, Ladegerät, 12-V-Steckdose, Bumperline, Schutzschalter, Petroleum, Batterien, Batteriebehälter, -klemmen, ‑kabel und -umschalter, Ankerboje, Akkubohrset, Wasser- und WC-Chemie, Verlängerungskabel, Petroleum und Wasserbehälter, allerlei Kombüsen- und Kajütenzubehör, Becher, Bretter, Bootsschuhe, Moskitonetz, Fender, Spanngurt, Rosette, Sikaflex, Bimini-Sonnendach, Schlauchboot, Ersatzpropeller, Ersatzlampen, Pütz, Uhr, Bohranker, Kettenvorläufer, Spirituskocher Origo 2000, Radio mit Halterung, Adapter, Abzweigkästen, Sicherungen, Leitungsverbinder, Anti-Gilb-Chemie, Abdeckplanen, Holz, weiteres Elektromaterial!

2001 ging es munter weiter: Fenderkörbe, Schleusenhaken, Ankerlicht Megalight, Ankerverbinder, Geschirr Helgoland, Fußbank, Wandreck, kleinere Abdeckplane, Ersatz-Brennertopf, Jalousien, Fußabtreter, Jacke und Seglerhose, Tischplatte und Klappbeschläge, Küchenrollenhalter, Kleinteile, BSR-Leuchten und Halterungen, CEE/Schuko-Adapter, Kissenfender, größerer M-Anker, Wurfanker, Nirosta-Seilrolle mit 40 m Schwimmleine, Teak-Öl, Sturmlaterne. Der Umstand, dass all diese Dinge nicht mühsam angespart werden mussten (Hausverkauf!), erleichterte den lockeren Umgang mit den Finanzen. Kurz und weniger gut: Ausbau und Zubehör kostete schließlich allein schon in den ersten beiden Bootsjahren weitere 5000 Euro!

Nun braucht jeder Schiffersmann auch noch ein wenig Papier. Die Rede ist nicht von solch profanen Dingen wie Klopapier und Küchentücher, sondern Karten und Ratgeberbücher. Und es gilt wohl der Satz: Je mehr Anfänger, desto mehr Ratgeber. Gewiss muss man sich nicht gleich so üppig eindecken mit Vorschriften, Sachbüchern und Karten (für 250 Euro) wie ich. Aber meine Zuneigung zu Gedrucktem ist manisch. Und was die Angelei an Genehmigungen, Geräten und Büchern zusätzlich gekostet hat, davon rede ich lieber nicht. Es reicht gewiss, um einem Fischer seinen gesamten Monatsfang abzukaufen!

Hat man jetzt das Boot im Hafen, ist es ausgerüstet und steht die notwendige Literatur an Bord und zu Hause zur Verfügung, ist immer noch nicht Ruhe. Es sind nämlich zu berappen die laufenden Kosten. Sie bestehen bei mir aus Bootsstandmiete, Haftpflicht- und Kaskoversicherung, Antifoulinganstrich, Pflegemittel für Porta Potti und den Frischwassertank, jährlicher Motorwartung einschließlich Winterfestmachung, Fischereischein, Angelkarte und für 100...125 Betriebsstunden Kraftstoff. Alles in allem jährlich etwas über 2000 Euro.

 

Das nicht nur finanzielle Resümee:

Betrachte ich auf meinem Tabellenblatt nun auch noch die Fehlkäufe, die drei reparaturkostenverursachenden Fahr- und „Handlingsfehler„, so summieren sich die Kosten für zwei Jahre bescheidenes Bootsvergnügen auf sage und schreibe 42500 Euro. Allerdings, ich war 2001/2002 auch 145 volle Tage auf „See“! Für diese Zeit ein vergleichbares Kajütboot zu mieten, wäre gewiss auch nicht billiger. Und mein Boot steht mir nun auch in der kommenden Saison Verfügung und es ist so eingerichtet, wie ich es möchte. Wäre ich geduldiger gewesen, hätte warten können und auch andere um Rat gefragt (und auch darauf gehört), so wäre mir gewiss einiges erspart geblieben! Doch ist es nicht des Menschen Los, so richtig nur aus eigenen Fehlern zu lernen?  Außerdem, Sie kennen ja auch den Slogan: Man gönnt sich doch sonst nichts!


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