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Meine Abenteuer am Roten Meer

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Der folgende Text - auch eine kleine Erinnerung an Hans Hass - ist entnommen dem Band  Nur tauchen, reisen, schreiben - Mein abenteuerlichstes Jahrzehnt, Teil II

Um das Lesen etwas zu erleichtern, hier Links zu einzelnen Textabschnitten: Anreise, Ägypten und das Rote Meer - Ein ganz normaler Routineflug - In den nächsten Tagen - Fast jeden Morgen - Einige Tauchgänge - Das Katharinenkloster - Der Sandsturm und die Roberts - Der tiefste Tauchgang - Zurück nach Kairo.   | nach unten

 

 

Anreise, Ägypten und das Rote Meer

Von Anfang an schwebte ein ungutes Omen in Gestalt von allerlei Missgeschicken über diese Reise: eine unnötige Deviseneinzahlung an das Reisebüro mit den entsprechenden Schwierigkeiten, das Geld wieder zurückzuerhalten; ein fehlendes Visum, dass erst am Silvestertag unter Umgehung allerlei Dienstwege seiner Exzellenz, dem ägyptischen Botschafter, abgebeten wurde; ein verpasstes Flugzeug - und schließlich explodierte durch Knallgasbildung schadhafter Akkus auch noch eines der Blitzlichtgeräte. Alles Pech wäre nun abgehakt und die Reise kann beginnen . . ..

Das Rote Meer, ein Nebenmeer des Indischen Ozeans, ist etwa 2300 km lang, an der breitesten Stelle 355 km breit, durchschnittlich 500 m und an der tiefsten Stelle 2300 m tief. Im Norden endet es im Golf von Aquaba und im Golf von Suez, im Süden über einer unterseeischen Schwelle im Bereich der Straße von Bab-el-Mandab. Diese Straße mündet im Golf von Aden und damit im Indischen Ozean. Die unterseeische Schwelle steigt bis auf rund 100 m unter die Oberfläche empor und daher ähnelt das Rote Meer einem riesigen wassergefüllten Trog, der lediglich an einem nur 26 km breiten und 100 m tiefen Rand etwas überschwappen kann. Der Wasseraustausch mit dem Indischen Ozean ist folglich stark eingeschränkt und damit auch die Ausbreitung mariner Lebensformen. Das Rote Meer ist geradezu berühmt für seine endemische Fauna, also eine nur hier vorkommende Tierwelt. Endemisch sind beispielsweise 10 Prozent aller Fische.

Schier endlose Wüsten und bis zu 3700 m hohe gelbrote Gebirgszüge umrahmen das tiefblaue Meer, über dem fast immer eine glühend heiße Sonne brennt. Niederschläge fallen hier weitaus seltener als über allen anderen Meeren. Die Verdunstung überwiegt. Daher ist der Salzgehalt des Roten Meeres - bis zu 37,6 Promille an der Oberfläche - größer als der des offenen Ozeans.

Viele Länder grenzen an das Rote Meer, auch eines der klassischen Reiseländer: Ägypten; denn nicht nur die Zugvögel residieren gerne am Nil.

Ägypten hat etliche und durchaus gegensätzliche Gesichter:

- Das fruchtbare Niltal und grüne Oasen,

- Moscheen und Paläste, die an die Märchen aus tausendundeiner Nacht erinnern,

- Reichtum und Glanz, aber viel öfter noch ärmlichste Lebensverhältnisse und Schmutz,

- Eine vieltausendjährige Kultur, die schon die alten Römer zu Sightseeingtouren anlockte,

- Interessante Städte, Dörfer, Oasen,

- Tausende von Quadratkilometern unbewohnten Ödlands und Wüste,

- Touristenströme aus vieler Herren Länder,

- Gebirge mit schroffen bis zu 2000 m hohen Gipfeln, die im Golf von Aden manchmal fast senkrecht bis in Tiefen von 1700 m abfallen und eine

- Küste am Roten Meer mit einer fantastischen Unterwasserwelt.

Über all diese und andere Gesichter Ägyptens ließe sich stundenlang berichten. Doch jeder hat andere Neigungen! Der eine erzählt von den Menschen und den sozialen Verhältnissen, der andere berichtet über altägyptische Geschichte und noch ein anderer interessiert sich für tropische Pflanzen. Mein Interesse wiederum gilt der Unterwasserwelt, mit der ich mich nun schon drei Jahrzehnten beschäftige. Tauchen und fotografieren, Reisen und schreiben ist mein Hobby, mein Beruf, ja der wichtigste Teil meines Lebens.

Aber natürlich: Wie könnte man ins Land der Pyramiden reisen, ohne wenigstens die Pyramiden gesehen zu haben? Die nach zwei Wochen Tauchen endgültig streikende Unterwasserkamera erleichtert den Entschluss, etwas Zeit und Filmmaterial auch für ein paar flüchtige Blicke auf jene anderen Gesichter Ägyptens einzusetzen.

Ägypten kann als einziges Volk der Erde auf eine kontinuierliche Geschichte von 5000 Jahren zurückblicken, darunter auf die 2000 Jahre dauernde Blütezeit der Pharaonenreiche. Um 1075 vor unserer Zeitrechnung endet das sogenannte Neue Reich, die wahrscheinlich glanzvollste Epoche Altägyptens mit dem herrlichen vieltorigen Theben als Haupt- und Weltstadt. Zum Vergleich und als kultureller Gegensatz: In Mitteleuropa rennen um diese Zeit vielleicht die ersten „Germanen“ durch die Wälder, noch fellbehangen und mit Sauspießen bewehrt ...

Im Jahr 639 ziehen in Ägypten die Eroberungsheere der Araber ein. Der Islam wird Staatsreligion, die arabische Sprache Staatssprache. Ägypten ist einige Jahrhunderte lang zunächst nur eine Provinz des Kalifenreiches und es wird von Damaskus und Bagdad aus regiert. Doch die Ägypter verstehen es, sich unter der Fremdherrschaft bald wieder eine gebührende Eigenständigkeit zu verschaffen. Mit der 930 gegründeten El Azhar Universität - der ersten Universität der Welt - wird Kairo das religiös-intellektuelle Zentrum des Islams.      nach oben     nach unten

 

Ein ganz normaler Routineflug,

sagt der Kommandant, Wetter okay, keine Probleme, als am 12. Januar 1988 die IL-62 der Interflug auf dem Kairo-Airport landet. Ich denke da anders, natürlich, und lächelte ein wenig happy. Ich buckle die zuhause sorgsam ausgetüftelte und mit der Küchenwaage immer wieder überprüfte Ausrüstung und klettere zunächst in einen der rumpeligen Linienbusse und am Ramses-Hauptbahnhof dann in den Überlandbus. Diese Busse sind relativ komfortabel und spottbillig. Die 500 km lange Strecke von Kairo aus zum Südzipfel des Sinai kostet umgerechnet ungefähr neun Mark und dauert - einschließlich zweier Teepausen - sieben bis acht Stunden.

In meiner Tasche knistern zwei Einladung: eine von Dr. Charles Sheppard, Leiter des Marinebiologischen Entwicklungsprojekts der Suezkanal-Universität, um dort eine Vorlesung über Unterwasserfotografie zu halten, sowie die einer kommerziellen Tauchbasis mit der Zusage, dort tauchen, Technik und Boote mitbenutzen zu dürfen.

Ich fahre mit dem Bus geradewegs und ohne Voranmeldung nach Ismailia, suche mir ein Hotel für die erste Nacht in Ägypten und treffe am Abend Dr. Sheppard. Sorry, sagte er, hätten Sie doch angerufen! Übermorgen beginnen die Semesterferien ... Ich überlasse ihm das 20seitige Vorlesungsmanuskript. Er verspricht, es in meinem Namen im nächsten Semester vorzutragen. Wir ver­abreden uns auf dem Sinai.

Ich bummele noch einen halben Tag durch Ismailia, einem einstigen Kolonialstädtchen, dass seine Existenz eigentlich nur dem Suezkanal verdankt, und klettere erneut in einen Überlandbus. In einem der Strohkäfige, pardon, hier nennen sie es ja Hütten, also: In einer Hütte des Sinafir-Hotels endet mein zweiter Tag in Ägypten. Ich befinde mich nun ganz im Süden des Sinai an der Na’ama Bay. Ich bin am Roten Meer!
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In den nächsten Tagen

lebe ich wie in einem Traum. Das Rote Meer hat von allen zugänglichen Tauchrevieren in der Nähe Europas im Jahresdurchschnitt die besten Sichtweiten und es wird nie kälter als 20 °C. Wenn ich, wie mir besonders an einem „Tempel“ genannten Tauchplatz auffällt, an der Oberfläche über 25 Meter tiefen Gründen schwebe und dort unten alles klar erkenne, lassen sich aus der Diagonale Sichtweiten zwischen 30 und 40 Meter abschätzen.

Die Korallen! Es heißt, die Malediven im Indischen Ozean - gleich dem Roten Meer eines der bekanntesten Unterwasserparadiese der Welt - seien berühmt durch ihren Fischreichtum und das Rote Meer für seine Korallen. Dr. Sheppard stimmt dem nicht zu: Korallenarten habe das Rote Meer insgesamt weniger, doch ungleich mehr der farbenprächtigen Lederkorallenarten und bezüglich des Fischreichtums brauche das Rote Meer den Vergleich mit den Malediven nicht zu scheuen. Und Dr. Sheppard müsste es eigentlich wissen, denn er tauchte schon in vielen Meeren der Welt und er hat sich mit mindestens einem halben Dutzend Publikationen über Ländergrenzen hinweg Anerkennung unter den Meeresbiologen verschafft.

Den entscheidenden Anteil an der Entstehung von Korallenriffen leisten die Steinkorallen. Jeder der oft nur wenige Millimeter großen Korallenpolypen ist ein einfach organisiertes schlauchartiges Tier. Es scheidet am unteren Ende Kalk aus und bildet so eine allmählich wachsende Basisplatte. Ab einer bestimmten Größe beginnt der Polyp mit der Ausbildung einer neuen Basisplatte. So entstehen immer größere Gebilde, Stöcke und schließlich, in Verbindung mit der Vermehrung über Larvenstadien und durch Knospung, mächtige Riffe. Winzige in Steinkorallen lebende Algen helfen dem Polypen, gewaltige Kalkmengen dem Wasser zu entziehen. Eine Polypenoberfläche von einem Quadratmeter vermag immerhin 10 kg Kalk am Tag herzustellen, eine kugelige Hirnkoralle kann in einem Jahr ihren Durchmesser um einen Zentimeter vergrößern.

Zu den Bauten der Steinkorallen gesellen sich vor allem noch Hydrozoenkolonien, bestimmte Kalkalgen, die wie Zement wirken und alle sich in den Nischen ansammeln Korallenbruchstückchen zu einer kompakten Masse verkitten und unzählige wirbellose Tiere, deren Überreste ebenfalls mit der Korallensubstanz verschmelzen. So ist erst das ständige Werden und Vergehen unzähliger kleiner Organismen die Basis für das wundervolle Werk namens Korallenriff. Nie entsteht Großartiges ohne die Mitwirkung von anscheinend Belanglosen und daher ist oder geschieht nichts auf der Welt ohne Bedeutung und Folgen.

Aber die nächsten Tage sind nicht nur Traum, sondern auch Albtraum, denn meine Kameras und das dazugehörige wasserdichte Gehäuse arbeiten nicht sowie sie sollten. Entgegen meinen Grundsätzen unternahm ich nämlich genau das, von dem ich jedem anderen dringend abgeraten hätte: eine solche Reise mit unerprobter Technik anzutreten! Doch mich bestachen die Eleganz, die Kleinheit und vor allem die um sieben Kilogramm geringere Masse gegenüber meinem alten Gehäuse, dem „Roten Monster“ der Fa. Huffziger. Und ich vertraute der Zusicherung des Konstrukteurs, dass die Kamera erprobt sei und funktioniere . . . Aber lassen wir das unerfreuliche Thema. Jeder Mensch besitzt die wunderbare Fähigkeit, Ungemach erfolgreich verdrängen zu können. Und hat nicht jede Medaille immer noch zwei Seiten? Nun habe ich endlich genug Muße, mich gründlicher umzuschauen! Doch wenn ich nur wüsste, wohin mit den nun leeren Händen?

Die Na'ama Bay ist ganz auf Touristen und Taucher eingestellt. Wo auch immer die Taucher untergekommen sein mögen, ob im Hilton oder Campingplatz, überall herrscht jeden Morgen die gleiche Hektik: Die Taucher schlingen das stets viel zu spät erhältliche Frühstück herunter und hasten zu einer der vielen ortsansässigen Tauchbasen, in meinen Fall zu Sinai Divers. Diese Tauchbasis ist dem nobleren Ghazala-Hotel angeschlossen und wird von Petra Röglin und Rolf Schmidt geleitet. Die beiden arbeiten schon seit 1973 auf dem Sinai und ihrer Freundlichkeit verdanke ich es, den Service der Tauchbasis kostenlos mitbenutzen zu dürfen.

Alle Basen verleihen Tauchausrüstungen, erteilen Unterricht, stellen ortskundige Tauchführer und fahren die Taucher mit Jeeps, Kleinbussen und vor allem mit Booten in Tagestouren hinaus zu den verschiedenen Tauchplätzen. Eine Tour kostet gewöhnlich 30 bis 35 Dollar, einschließlich zweier wohlgefüllter 12-l-Pressluftflaschen für zwei Tauchgänge. 
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Fast jeden Morgen

nun die gleiche Zeremonie: mit dem Bus zu den fünf Minuten entfernten Minihafen, Ausrüstung an den Steg schleppen und alle Utensilien über eine Kette von Tauchern ins Boot einladen. Zwischen 8:30 und 9:00 Uhr geht es hinaus auf See. Die am dichtesten gelegenen Tauchgebiete heißen "Near Garden" und "Ras Um Sid" und sie sind etwa 10 bis 20 Bootsminuten entfernt. Zu dem am weitesten außerhalb der Na'ama Bay gelegenem Revier, dass ich mit besuchen durfte, brauchte selbst die Nobeljacht Ghazala I anderthalb bis zwei Stunden und dort liegt das 100 Jahre alte Wrack Dunraven.

Nach einer Woche wechsele ich vom Sinafir Hotel zum Zeltplatz Gafy Camp. Das Sinafir sieht je recht schick aus, aber in den als Hütten deklarierten Strohkäfigen ist es enger und ungemütlicher als in den großen Zelten des Gafy Camps. In den Zelten befinden sich zwei Bettgestelle, ein Tisch und zwei Stühle. Mit dem Anbruch der Dunkelheit gibt es elektrisches Licht; und es kostet nur die Hälfte wie im Sinafir: Nämlich neun Mark je Nacht, einschließlich einen spartanischem Frühstück. Allerdings muss ich in der ersten Nacht das Zelt noch mit zwei Katzen teilen, die es sich schon früher hier wohnlich einrichteten und die durchaus nicht begreifen wollen, dass ich lieber allein schlafe - jedenfalls nicht mit diesen Katzen!     nach oben     nach unten

  

Einige Tauchgänge

Sonnabend, 16. Januar. Coral Garden. 70 Minuten, 30 Meter, heißt es in meinen Reisenotizen. Anscheinend ein vielbetauchter Platz, denn sofort nach meinem Abstieg umringen mich vor allem Schmetterlingsfische. Sie flattern herum und schnappen in Erwartung kommender Tafelfreuden nach imaginären Futterbröckchen. Doch sie haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht und der Wirt bin ich. Ich aber gebe nichts, denn die Unsitte des Fütterns stört das normale Verhalten und den Lebensrhythmus der Fische und erhöht überdies die Anfälligkeit für Erkrankungen.

Sonntag, 17. Januar. Wir fahren erstmals hinaus zum Jackson-Riff. Von all den Tauchplätzen, die ich noch kennenlernen werde, ist dieser Ort der Schönste aller Tauchreviere. Das Jackson-Riff liegt in der Straße von Tiran und bildet einen für die Schifffahrt gefährliches Hindernis. Zurzeit sind hier gerade zwei friedlich vor sich hinrostende Frachter für immer vor Anker gegangen.

Gemäß jenem englischen Sprichwort, dass der frühe Vogel den Wurm fange, bin ich meist als erster im Wasser. Dieses Mal ist der Wurm ein Hai, den ich in der Ferne entschwinden sehe. Es ist überdies der einzige Hai, den ich hier zu Gesicht bekomme und fast alle anderen Taucher erblicken noch nicht einmal einen Haischwanz ... Und da auch ein Wurm nicht allein ist, paddelt außerdem noch eine Grüne Schildkröte mit gemessenen Bewegungen vorbei.

Die Fische. Eine verwirrende Vielfalt von Arten umschwärmt, umschwirrt mich, flüchtet, ist neugierig, gleichgültig oder scheu; bettelt um Futter, versucht mich zu vertreiben oder zieht majestätisch in der Ferne vorbei. Die genaue Artenanzahl ist unbekannt. John Randall stellt in seinem Buch  „Red Sea Reef Fisches“ allein 325 in den Korallenriffen lebende Spezies vor. Die bis dato umfassende Auflistung stammt von dem israelischen Fischkundler Manachem Dor. Er kam auf rund 1000 in allen Tiefen des Roten Meeres lebende Arten.

Die Algen sind die Wiesen und die Korallen die Blumen, Hecken und Gehölze, kommt mir in den Sinn, und die Fische die dazugehörigen Vögel und Schmetterlinge. Aber warum vergleichen? Jeder Lebensraum hat seine eigene Schönheit. Oft muss man jedoch erst lernen, sie zu sehen.

Montag, 18. Januar. Ras Mohammed. 75 Minuten, bis 48 Meter Tiefe. In knapp zwei Stunden Fahrt erreichen wir den berühmtesten Tauchplatz des Sinai, das Kap Ras Mohammed. Der Himmel trägt Azur, das Meer am Ankerplatz Türkis. Über nur wenige Meter Tiefe liegendem hellem Sandgrund leuchten tropische Meere immer in dieser Farbe. Nach der üblichen Einweisung stürzen wir uns ins Wasser.

Ein zehn Meter tiefer liegender Sandboden. Hier und da Korallenblöcke. Sehr weit hinten, vielleicht 30 bis 40 Meter entfernt, wächst eine Korallenwand zur Oberfläche empor. Die Sicht ist fantastisch. Wir schwimmen - als Orientierungshilfe immer die Sonne schräg von hinten über die rechte Schulter scheinen lassen - in Richtung der viel gelobten Steilwand. Ich entdecke, mehr durch Zufall als Beobachtung, einen ungefähr halb meterlangen Krokodilfisch. Es heißt, Krokodilfische bevorzugen Wracks. Doch Schiffe liegen ja nicht überall herum und so muss dieser hier sich mit dem kargen Sandboden begnügen. Nach etwa fünf Minuten erreichen wir die Steilwand und schwimmen hinab in die Tiefe.

Um es kurz zumachen: Ich bin ein wenig enttäuscht! Es geht zwar sehr steil hinab, bis 800 Meter heißt es, aber diese Steilwand erscheint mir nicht schöner bewachsen zu sein als in einigen anderen Tauchrevieren. Aber diese Steilwand erscheint mir nicht schöner bewachsen zu sein als in einigen anderen Tauchrevieren. Die berühmten großen Fischschwärme lassen sich auch nicht sehen und Haie schon gar nicht. Vermutlich bin ich jedoch etwas ungerecht, bedingt durch eine zu großer Erwartung und verwöhnt durch meine Maledivenreise.

Die interessantesten Momente des Tauchgangs, finde ich jedenfalls an diesem Tag, geschehen an seinem Ende. Sie beginnen mit winzigen Putzerfischen. Die vielleicht bis zu sechs Zentimeter langen Fischer haben sofort meine einzige frei liegende und eventuell verwertbare Körperpartie aufgespürt: die Lippen. Immer wieder drängen sie sich unbemerkt zwischen Anzug, Maske und Atemregler und beißen mir in die Lippen in der Hoffnung, ein paar verwertbare Hautfransen zu ergattern. Haut doch ab, ihr blöden Viecher, schimpfe ich, wie man auch etwa lästigen Fliegen anmeckert. Natürlich mit gleichem Erfolg wie bei den Fliegen, nämlich keinen. Ich ergreife die Flucht.

In der Nähe des Bootes erscheint dann ein etwa meterlanger Napoleonfisch, um das hier offensichtlich häufig servierte Futter in Empfang zunehmen. Wir haben nichts. Der Napoleon hält es nicht für möglich. Er rollt mit den Augen und wird immer zu dringlicher. Erst ist es lustig, dann lästig. Und ein Fisch dieser Masse ist ja schon etwas unheimlich. Immer ist der Napoleon mit im Bild. Wie man sich auch dreht, wohin man sich auch wendet, er dreht und wendet sich mit. Wo bleibt sein Futter? Schließlich beißt er den Tauchguide in den Arm, weil der offensichtlich nichts hergeben will. Der Guide verpasst dem Fisch einen rechten Haken. Die beiden Kontrahenten trennen sich unentschieden. Wir tauchen auf.

Inzwischen sind fünf weitere Tauchboote angekommen. Na, das wird hier nachher ein Gedränge geben! Wir legen uns zur Mittagspause, während einer aus der Bootsbesatzung ein Grill anfeuert. Die Küchengeräte sehen zwar alle ein bisschen suspekt aus, wenn man die deutschen Hygienevorschriften im Sinn hat, aber der Fisch schmeckt fantastisch!

Die Nachmittagstauchgänge finden immer in Gebieten mit geringem Wassertiefen statt, vor Ras Muhamed beispielsweise zu den 10 bis 20 Meter tieferliegenden Überresten eines 1980 gestrandeten und dann von Stürmen zerschmetterten Frachtschiffes. Seiner Ladung: vor allem Sanitärkeramik! Die Hauptmasse des Schiffes rutschte einige Jahre nach dem Untergang über den Steilhang gab und versank in mehrere 100 Meter Tiefe.

An den hier liegen gebliebenen Schiff- und Ladungsteilen haben sich unter anderem Korallenpolypen festgesetzt und die ersten Kolonien gebildet. Die Untergangszeit erlaubt eine Datierung: Nicht länger als sieben oder acht Jahre benötigen also bestimmte Weichkorallen für die Bildung etwa 30 Zentimeter hoher Stöcke. Wir streifen zwischen den Überresten herum, bis uns die Zähne klappern. Das Wasser ist mit knapp 20 Grad Celsius ja auch ganz schön kalt ...

Natürlich fahren wir nicht nur mit dem Boot, sondern manchmal auch mit einem Kleinbus zum Tauchen, meist zu einem Ras Um Sid genannten Kap. Der Bus kurvt zunächst durch Sharm-el-Sheik, der südlichsten Siedlung des Sinai. Hier errichteten die Israelis während ihrer Besatzungszeit neben Armeeanlagen auch eine moderne Wohn- und Touristensiedlung, die nach der vollständigen Rückgabe des Sinai im Jahre 1982 an Ägypten nun von ägyptischen Fachleuten weiter ausgebaut wird.

Der Kleinbus verlässt wieder Sharm-el-Sheik, fährt in Ödlandes hinaus, passiert ein Wachpostencamp und stoppt schließlich auf einem kleinen Plateau - wie bald nicht zu übersehen ist, auch einem beliebten Anlaufplatz anderer Tauchbasen. Wir schlüpfen in die Tauchausrüstung und waten in das Wasser. Die Wahl des Einstiegsplatzes lässt eigentlich nichts Gutes erhoffen. Viele Taucher sind bekanntlich der Korallen Tod. Ich bin dann doch erstaunt über den noch gut erhalten erscheinenden Zustand einzelner Riffabschnitte. Reizvolle Gegenlichtstimmungen. Bizarre Felszacken. Schluchten und Abhänge, die in tiefem Dunkelblau versinken. Säulen aus streifigem Licht. Schwaden sich ständig ausdehnender Luftblasen. Eine Oberfläche, gebuckelt und mit dem zarten Glanz alten Silbers. Und wir mitten in dieser Welt ...
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Das Katharinenkloster

Sonnabend, 30. Januar. Ich nehme mir frei von den Tauchtrips und steige in den Überlandbus zum Katharinenkloster. Ich weiß, dass ich dort nur eine Stunde Aufenthalt haben werde und betrachtet deshalb diesen Ausflug mehr als eine mit 8 Mark für immerhin 400 Kilometer leicht erschwingliche Besichtigungstour durch die Bergwelt des Sinais.

Die aus der Ferne beeindruckende Silhouette der Berge rückt rasch näher und verwandelt sich in erschreckende Ödnis. Nichts als Sand und Felsen. Nur hier und da ein dürres kniehohes Sträuchlein, aber oft auch nicht einmal das und selten ein von Wind oder den Kamelen zerzaustes Bäumchen. Am Sharira-Pass erreicht die Straße erstmals 56 Meter Höhe. Dann geht es wieder hinab an die Küste zum Touristendorf der Oase Dahab.

Nach etwa 15 Minuten Rast lässt der Fahrer die Hupe krächzen. Abermals kurvt der Bus bergan. Wieder nur Sand und nacktes Gestein. Doch sogar in dieser lebensfeindlichen Welt leben Menschen, Beduinen. Immer wieder stehen irgendwo einige Zelte, traben Kamele oder zeigen sich Silhouetten in weiten wallenden Gewändern. Bewunderung oder Hochachtung sind viel zu schlichte Worte angesichts dieser Menschen, die unter jenen extremen Bedingungen leben können, ja dort auch leben wollen. Die Heimat der Sinai-Beduinen sind eben die Wüsten und das Gebirge. Und jene Welt, in der man aufwuchs, die prägt und wiegt oft stärker als die Chance zu behaglichem Leben. Zu Hause klingt das Wort Heimat pathetisch. Und daher bedarf es wohl erst Distanz und Einblicke in andere Kulturkreise und Lebensform, um ein gerechteres Maß für die Beurteilung des Alltags dahin zu finden.

Der Bus hat inzwischen eine Höhe von 1500 Metern erreicht und entlässt seine Fracht. Auf dem Weg zum Kloster komme ich an einer Art Friedhof vorbei. Unbearbeitete Steine erinnern an die Grabstellen. In den Wüstenregionen können arme Menschen wohl auch kaum mehr tun für ihre Toten.

Das Katharinenkloster liegt herrlich in einem engen Tal am Fuße des rund 2300 Meter hohen Mosesberges, dem zweithöchsten Berg auf dem Sinai. Das Kloster entstand im sechsten Jahrhundert an jener Stelle, an der sich der berühmte Dornbusch befand, aus dessen brennendem Gezweig nach christlicher Überlieferung dem Moses Gott erschienen sein soll. Wie praktisch, dass sich hier zugleich auch die einzige Quelle der ganzen Umgebung befand.

Der festungsähnliche Gebäudekomplex ist heute ein von etwa 50 Menschen bewohntes griechisch-orthodoxes Kloster. Es besitzt mit ungefähr 3500 alten Manuskripten die wertvollste religiöse Bibliothek des Christentums.

Sonntag, 31. Januar. Vor der Tauchbasis lungern nur drei Taucher herum. Für die paar Leute läuft natürlich kein Boot aus. Also klettern wir in den Wagen und fahren nach Ras Um Sid und am Nachmittag in die Tiger Bay, einer öden Fels- und Sandlandschaft, in der allein schon das Blau des Meeres wie eine Farborgie wirkt. Wir klettern behutsam in die Taucheranzüge mit dem vergeblichen Bemühen, den Sand draußen zulassen. Ach, ich hasse Sand, murmelt Stefan!

Dem Korallenwuchs ist kaum anzumerken, dass hier häufig Brandungswellen durchschlagen: kräftige rundliche Formen und massives Geäst gelblichen, bräunlichen, oliven, bläulichen und grünlichen Farbtönen. An der Oberfläche stehen drei Flötenfische.

Ein Rotbrustlippfisch eilt dabei umflösselt mich neugierig. Die blitzenden Zähnchen am Oberkiefer verleihen ihm ein spöttisches Aussehen. Er legt sich auf die Seite, um besser sehen oder mich mit seinem Seitenlinienorgan besser spüren zu können. In kleinen Rucken kugeln die Augen hin und her und da es kein Futter gibt, sucht er bald wieder das Weite und überlässt uns dem Interesse seiner Kollegen.
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Der Sandsturm und die Roberts

Am Nachmittag des 1. Februars beginnt, sich der Himmel zu verdunkeln. Der Wind wird immer stärker und entwickelt sich zu einem Sandsturm. Ich versuche, alle Sachen sanddicht zu verstauen, und flüchte - einer glücklicherweise für diesen Abend erhaltenen Einladung folgend - ins Marine Education Centre. Hier arbeiten und wohnen die Biologen Dr. Callum Roberts und seine Frau Juli, die überdies auch ganz passabel zu kochen versteht. Die Roberts bieten mir im Laufe des Abends an, bei ihnen einige Tage zu wohnen. Am nächsten Morgen, angesichts zusammengebrochener Zelte und des immer noch anhaltendem Windes, nehme ich ihr Angebot dankend an.

Die Familie Roberts arbeitet mit an einem meeresbiologischen Gemeinschaftsprojekt der Liverpool- und der Suezkanal-University. Ein Teil des Projekts läuft in Ismailia, ein anderer hier an der meeresbiologischen Station, die ebenfalls der Suezkanal-Universität gehört. „Sharm-el-Sheik ist ein exzellenter Platz für eine solche Einrichtung“, glaubt Dr. Roberts, „weil das Gebiet von sehr reichen Korallenriffen umgeben und der Einstieg zu diesen Riffen einfach ist.“ Ich frage nach den Aufgaben der Station. Dr. Roberts erläutert:

„Zum einen unterrichten wir Studenten und Angestellte, um sie mit den Techniken wissenschaftlicher Forschung vertraut zu machen, sodass sie in Zukunft Aufgaben für ganz Ägypten lösen können. Zum anderen unternehmen wir in den Riffen um Sharm-el-Sheik Forschungen und diese beschäftigen sich hauptsächlich mit Auswirkungen von Verschmutzungen und Möglichkeiten, wie die Riffgemeinschaften davor geschützt werden können.

In diesem Areal sind eine Menge Taucher aktiv, vielleicht 400 jeden Tag. Jeder Taucher schädigt ein bisschen das Korallenriff. Über einen längeren Zeitraum wirken sich die Effekte immer stärker aus, sodass die Riffe in den besonders populären Gebieten sterben werden. Wir wollen die Auswirkungen dieser Beschädigungen über einen längeren Zeitraum, vielleicht zwei oder drei Jahre, untersuchen. Diese Art der Studien sind besonders wichtig für weitere Kenntnisse der Biologie der Korallenriffe, weil in vielen Gebieten der Welt, teilweise auch in Ägypten, die Korallenriffe für den Tourismus geöffnet sind und der Tourismus eine wichtige Einnahmequelle ist.“ Dr. Roberts hofft aber auch, dass die heutigen Studenten morgen selbst forschen und unterrichten werden und dass sie die Arbeiten zum Schutz der Riffgemeinschaften fortsetzen, damit der weitere Ausbau des Tourismus nicht zum Problem für die Unterwasserwelt wird.

Dienstag, 2. Februar. Der erste Morgen mit einem stark bewölkten Himmel und immer noch Wind und Sand. Mein Zelt hat glücklicherweise den Sturm heil überstanden. Wir fahren mit einem der Fischerboote zu dem „Temple“ genannten Tauchplatz. Es scheint, dass die Wassertemperatur immer mehr abnimmt. Ich beginne, bereits nach 30 Minuten zu frösteln. Tauchzeit 45 Minuten, maximale Tiefe 45 Meter. Mir fällt auf, dass ich zunehmend lustloser ins Wasser gehe. Kalt, keine Kamera - und der Reiz des Neuen ist nun auch vorbei. Eigentlich könnte ich doch weiterreisen! Sind Paradiese immer nur drei Wochen lang Paradiese? Am Nachmittag lasse ich erstmals einen Tauchgang ausfallen - allerdings mit schlechtem Gewissen . . .     nach oben     nach unten

 

Der tiefste Tauchgang

Donnerstag, 4. Februar. Ein Tauchgang am Jackson-Riff. Jeden Tag bin ich für einige Minuten etwas tiefer getaucht. Tiefentraining. Ich weiß aus der tauchmedizinischen Literatur, dass sich der Organismus ein wenig darauf einzustellen vermag. Und dass sich dabei die Ansprechschwelle für den Tiefenrausch nach unten verschiebt. Ich will auf dieser Reise auch einmal an die berühmte Grenze der Vernunft gelangen - einfach um zu erfahren, wie das ist und ob sie auch für mich da liegt.

Ich stimme mit Stefan den Tauchplan ab, kontrolliere meine Ausrüstung. Wir lassen uns in Sichtweite des Steilhangs in die Tiefe sinken. 10 Meter. 20 Meter. Ich blase ab und zu etwas Luft in meine Tarierweste, um die Sinkgeschwindigkeit zu bremsen. 30 Meter. Das lichte Blau des Wassers dunkelt allmählich. 40 Meter. Die Korallenstöcke erscheinen immer karger. Misstrauisch horche ich auf die Geräusche des Atemreglers, beobachte den Partner.

So lange sich der Taucher in der Tiefe nicht zu wohl fühlt, ist alles in Ordnung, sind die Sinne zur Abwehr möglicher Risiken geschärft. Erst der jenseits 40 Meter früher oder später ein­setzende Tiefenrausch begänne, sämtliche Bedenken in sorglose Euphorie und lebensgefährlichem Leichtsinn aufzulösen. Weiter hinab. 50 Meter. Schon ist - greifbar nah - am Fuß des Steilhangs der Grund in Sicht. Ein Blick zu Stefan, das Okay-Zeichen und den Daumen zum Grund hinabgestreckt. Stefan nickt. Wir lassen uns weiter sinken und landen auf weichem Korallensand. Ich schaue auf den Tiefenmesser. 61 Meter!

Es ist immer noch so hell, dass man bequem das ND (die Parteizeitung „Neues Deutschland“) lesen könnte. In den Ohren beginnt, ein Teekessel zu summen. Kann es sein, dass sich mein Blickfeld verengte, oder bildete ich mir das später nur ein? Stefan wirbelt mit der Hand Sand auf. Die Schleier schweben von dannen. Es herrscht also eine leichte Strömung. Stefan dreht den Daumen nach oben. Aufstieg. Ein - im Fall einer Havarie - erschreckend langer Weg. Ich überlege: Was haben wir überhaupt gesehen? Nein, gelohnt hat es nicht. Aber ich weis nun: Wenn es sein muss, ist mir auch die Region zwischen 50 und 60 Meter zugänglich. Wenn auch nur für wenige Minuten. Und als mir Tauchbasisleiter Frank im Jahr darauf in Griechenland auf Zakynthos erzählt, unter dem sogenannten „Triumphbogen“ säßen in 60 Meter Tiefe vor ihren Schlupflöchern jede Menge sorgloser Langusten, war mir ohne Zögern klar: Da konnte, da musste ich mit hinab, um sie zu fotografieren.

Doch zurück zum Jackson-Riff. Erst nach diesem Vorstoß haben wir die Zeit, um uns umzuschauen. Viel Zeit sogar, die wir jedoch aus tauchphysikalischen Gründen in der Nähe der Oberfläche verbringen müssen. Und da­her streifen wir noch 40 Minuten lang in nur wenigen Metern Tiefe durch das Riff. Es bestätigt sich, was wir eigentlich schon wussten: Die Tiefe mag zwar geheimnisumwittert erscheinen, die Zahlenangaben im Taucherlogbuch sind eindrucksvoller. Aber die Mannigfaltigkeit und Schönheit mariner Lebensformen offenbart sich hier im Licht und nicht da unten in den blauschwarzen Schattenreichen . . .

Nach knapp vier Wochen und über 40 meist einstündigen Tauchgängen in Tiefen zwischen 10 und 60 Meter glaube ich, einen winzigen Eindruck aus der Welt der Korallenriffe des Roten Meeres gewonnen zu haben. Begegnungen eben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Welch ein fantastischer Lebensraum, der auch unseres Schutzes bedarf - und sei es nur durch so einfache Handlungen wie sich unter Wasser vorsichtig zu bewegen, nichts aus dem Meer mitzunehmen oder keine Tiere bzw. aus ihnen hergestellte Souvenirs zu kaufen. Das gilt eigentlich für alle Meere!

Die ägyptische Regierung war gut beraten, dass sie u. a. auch einige Korallenriffe - etwa vor Hurghada an der Westküste und vor Ras Muhamed auf dem Sinai - zu Naturschutzgebieten erklärte. Seit 1983 ist die ganze Halbinsel bei Ras Muhamed ein Naturschutzreservat, übrigens das erste in Ägypten. Hier wachsen beispielsweise rund 270 Blumenarten, von denen etwa 40 einmalig auf der Welt sein sollen. Die nordöstlich vor Ras Muhamed gelegene Insel Tirana wiederum gilt als ideale Vogelbrutstätte, darunter auch den selten gewordenen Fischadler. Inzwischen richtete Ägypten - u. a. auch auf Empfehlungen der UNESCO - zwei weitere Naturschutzgebiete ein: die Region um Omayed am Mittelmeer (in der Nähe Alexandrias) und um den Gebel el-Elba im Süden des Landes an der sudanesischen Grenze am Roten Meer.
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Zurück nach Kairo

In der zweiten Februarwoche reise ich zurück nach Kairo. - Der Kontrast könnte nicht größer sein: Aus der Stille und Weite des Roten Meeres, der Berge und Wüsten des Sinais - in eine Stadt, die unter chaotischem Verkehr, Lärm, Autoabgasen und den alltäglichen Bewegungen seiner schätzungsweise mindestens 10 Millio­nen Einwohner zu ersticken droht . . . Aber da ist auch noch das Ägyptische Museum, die Al-Akzar-Moschee, die Pyramiden von Gizeh.

Meine Streifzüge durch Kairo enden auf der ungefähr 180 Meter hoch gelegenen Aussichtsplattform des Kairo Towers. Es herrscht eine ungewöhnlich klare Sicht, denn am nächsten Tag wird es hier erstmals regnen. Der Verkehrslärm aus allen Straßen vermischt sich zu einem dumpfen Schallbrei. Ein herrlicher Ausblick. Von hier oben betrachtet, verwandeln sich alle erfreulichen wie erschreckende Dinge in schöne geometrische Muster. Einige Dutzend Meter Distanz genügen, um Schwierigkeiten und unlösbare Probleme nicht mehr zu sehen. Mir geht plötzlich die Frage durch den Sinn, ob ich nicht aus gleichen Gründen tauche? Schließlich ge­nü­gen auch ein paar Meter Tiefe, um die Welt anders und auf jeden Fall viel unproblematischer zu sehen.

Ich entscheide schließlich zu meinen Gunsten. Bestimmt habe ich einfach nur Freude an dem Erlebnis Tauchen, an den schönen Strukturen und Lebewesen der Unterwasserareale und an dem Fotografieren: Dokumente einer leicht zerstörbaren Welt. Aber es ist wohl auch die Freude an dem Sammeln von Erinnerungen wie beispielsweise jene von meinen Abenteuern am Roten Meer.
 

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