HOME TAUCHREISEFÜHRER HÖHLENTAUCHEN ONLINE-TEXTE TAUCHGESCHICHTE ABENTEUER/BIOGRAFIEN
norbert

Norwegen

Schottland

Sardinien

Am Roten Meer

Griechenland

Episoden aus einem früheren Sporttaucheralltag

Naturkundliches

Der Unterwasser-Camper / Dringend gesucht

Das letzte Boot

Tauchergeschichten

Nachdenkliches?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Meine Schottlandrallye

Klicken auf Bilder mit Hyperlinks erlaubt eine größere Darstellung, retour via Browserbutton "zurück"


Der folgende Text ist entnommen dem Band Nur tauchen, schreiben, reisen, Teil II. Um Ihnen das Lesen zu erleichtern, hier die Links zu den einzelnen Abschnitten:

Landschaften  -  Die Hebriden  -  Anreise  -  Isle of Mull  -  Die Rondo und die Hispania  -  Isle of Sky  -  Loch Pooltiel  -  Dunvegan Castle  -  Orkney Island  -  Scapa Flow  -  Tauchen in Scapa Flow  -  Die Kriegsschiffe Karlsruhe und Cöln  -  Inverness bis Loch Ness  -  Edinburgh  -  Isle of Arran  -  Heimfahrt     | nach unten

 

Nennt jemand das Wort Schottland, so fallen einem spontan drei Dinge ein: Sparsamkeit, Whisky und das Monster vom Loch Ness. Die Reihenfolge variiert nach persönlichen Neigungen. Bei mir jedoch steht Whisky nicht in dieser Reihe. Das Zeug schmeckt scheußlich und verursacht Kopfschmerzen. Selbst das spendierte Gläschen Glenfiddich, eine der berühmtesten Whiskysorten überhaupt, waren wohl Perlen, geworfen vor die - sagen wir mal - Antialkoholiker. Die Whiskytrinker mögen verzeihen. Doch mein Urteil ist gewiss nicht das Maß aller Trinker.

Aber wie auch immer: Seit ich längs und quer durch Schottland reisen konnte bis zu den Hebriden, einschließlich Abstechern zu den Orkneys, nach Edinburgh und London, verbinden sich bei mir mit dem Wort Schottland drei andere Vorstellungen: wunderschöne einsame Landschaften, interessante Taucherlebnisse und Wasser, Wasser, Wasser . . .     nach unten     nach oben

 

Landschaften

Schottland gliedert sich in drei Hauptgebiete: in die Highlands und Islands, in Central Scotland und in die Lowlands im Süden. Die Distanz zwischen der englisch-schottischen Grenze und der nördlichsten Ortschaft auf dem schottischen Festland beträgt 640 Kilometer und kein Punkt des Landes ist weiter als 120 Kilometer vom Meer entfernt.

Es ist ein Trugschluss, wenn man sich die Lowlands, das Tiefland, als flaches Land vorstellt. Grüne Hügellandschaften, bis zu 600 Meter hohe Berge mit bewaldeten Hängen, getrennt durch weite fruchtbare Flusstäler, gehen da und dort über in Heide- und Moorgebiete. Das Lowland endet im Süden in den Borders, dem Grenzland. Im Grenzland tobte Jahrhunderte lang eine nicht abreißende Folge grausamer Kriege zwischen Engländern und Schotten. Viele Ruinen einst unbezwinglich erscheinender Burgen und mächtige Abteien erinnern an sie und es ist die Heimat der berühmten schottischen Dichter Robert Burns und Sir Walter Scott.

Central Scotland mit den größten schottischen Städten Glasgow und Edinburgh hat sowohl einige schöne Gebirgs- und Seenlandschaften, ist aber auch das wirtschaftliche Zentrum des Landes mit vielen Industrien, Minerallagern, Kohleminen und der höchsten Bevölkerungsdichte Schottlands.

Nach Norden hin wird das Land zunächst immer eindrucksvoller und wilder. Bergrücken stehen wie dunkle Wände vor schaurig-romantischen Seen. Hügel, Schluchten, Waldstücke und Flussläufe wechseln mit Mooren und Heidekrautflächen. Dies ist die Szenerie der Highlands, das Hochland. Ganz im Norden endet Schottland in einer kargen, rauen Gesteinseinöde, in der sich meist nur noch einige Gräser, Moose und das Heidekraut behaupten können. Am nördlichsten Punkt des Festlands, am Dunnet Head, trotzt ein Leuchtturm dem steten Wind und er schickt des Nachts seine Lichtfinger hinüber zu dem 13 Kilometer entfernten Hoy, der zweitgrößten Orkney-Insel.     nach unten     nach oben

 

Die Hebriden

Am grandiosesten aber ist die wildzerklüftete Nordwestküste Schottlands mit ihren Felsformationen und fjordähnlichen Einschnitten und vor allem der vorgelagerten Inselgruppe der Hebriden. „Die Hebriden: Das kommt von weither, das klingt so magisch und versunken wie Atlantis“, schwärmt Peter Sager (1988). „Der Name ‘Hebrides’ beruht indes auf einen mittelalterlichen Schreibfehler: ‘Hebudes’ nannte sie Plinius.“

Die Hebriden oder Western Islands bestehen aus mehr als 500 Inseln von denen allerdings nur noch rund 30 bewohnt sind. Die größten Eilande der Inneren Hebriden heißen Skye und Mull. Etwa 24 Kilometer westlich von Skye erstreckt sich die Inselkette der Äußeren Hebriden, deren größte wiederum die Doppelinsel Lewis und Harris ist, dem Ursprungsland des berühmten Stoffes namens Tweed.

Schottland war schon immer der ärmste Teil Großbritanniens und die Hebriden wiederum der ärmste Teil Schottlands. Felix Mendelsohn-Bartholdy, der im Alter von 20 Jahren zum ersten und einzigstem Mal die Hebriden besuchte und hier auch die Anregung zu seiner Hebriden-Ouvertüre fand, berichtete im August 1829: „Wir wanderten zehn Tage ohne einen einzigen Reisenden zu begegnen; was auf der Karte als Städte oder doch Dörfer angegeben, sind einzelne Ställe nebeneinander, in denen Tür, Fenster und Schornstein aus einer Öffnung bestehen, die Menschen, Vieh, Licht und Rauch zugleich ein- und auslässt, in denen Ihr auf alle Fragen ein dürres Nein hört, in denen dunstiger Branntwein das einzige bekannte Getränk ist, ohne Kirche, ohne Straßen, ohne Gärten, die Stube pechfinster am hellen Tag, Kinder und Hühner auf einem Strohlager, viele Hütten ohne Dach, viele noch unfertig daliegend, mit zerbröckelten Mauern, viele Brandstellen . . . der Rest ist Heide mit rotem oder braunem Kraut, abgestorbenen Fichtenästen und weißen Steinen dazwischen oder schwarzes Moor, in dem sie Trappen schießen.“

Auf den Hebriden leben heute vielleicht noch rund 30000 Menschen, zwei Drittel weniger als noch vor 100 Jahren - und die Bevölkerungszahl sinkt weiter. Hier ist die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch wie auf dem schottischen Festland und da wiederum höher als in England. Und es gibt durchaus Zusammenhänge zwischen einem kargen unfruchtbaren Boden, auf dem allenfalls eine Handvoll Schafe ausreichend Nahrung findet, den langen Wintermonaten mit Regenschauern, Stürmen und kaum endenwollender Dunkelheit, der Arbeitslosigkeit und dem Alkohol. Dennoch: die Hebriden!     nach unten     nach oben

 

Anreise

Ich starte im August, sause längst durch die BRD, lade eine Freundin aus Köln ein und dann wieder halbschräg hoch durch Holland. Hoch? Man fährt doch gar nicht hoch, etwa in die Berge, sondern nach Norden! Aber auf dem Papier, hier der Landkarte, ist bekanntlich immer alles möglich. Und alles beginnt nur zu oft wieder mit Papier wie auch diese Reise: Erkundungen, Einladungen, Anträge, Genehmigungen, Visa und Einkaufszettel für Konserven, Tütensuppen sowie - für therapeutische Zwecke - drei Flaschen Rumverschnitt.

Als am 18. August das Fährschiff in Hoek von Holland bei herrlichsten Wetter ablegt und Kurs auf Harwich an der englischen Ostküste aufnimmt, ist für mich der Sommer zu Ende. Bis zu dem nächsten Tag, an dem es überhaupt nicht tröpfelt, werden nun fast drei Wochen vergehen.

Nach knapp sechsstündiger Überfahrt rolle ich auf die britische Insel. Ein Schild warnt: Please, keep left! Bitte, links bleiben! An der nächsten Kreuzung bremst einer heftig - und an der übernächsten ist alles klar . . . Fast sämtliche Kreuzungen sind als Kreisverkehr angelegt. Die Ausschilderungen sind vorbildlich und stimmen mit den Angaben auf den Straßenkarten überein - bis hin zur Nummerierung der Autobahnabfahrten und dem Hinweis, welch nächst größerer Ort stets angezeigt wird! Man muss hier schon ein bisschen einfältig sein - oder kartenlos - um sich zu verfahren!

Nach 670 Kilometer quer durch England erreiche ich die Grenze zu Schottland bei Greatna Green, einem einstigen Heiratsparadies. Hier galt bis 1856 das schöne schottische Gesetz: Verheiratet ist, wer sich vor zwei Zeugen das Jawort gibt; und für eine oder zwei Flaschen Whisky fand sich doch immer ein Zeuge! Nirgends innerhalb Europas wurde deshalb so munter drauflosgeheiratet wie in Greatna Green. Und wenn ein Sohn weggelaufen und zugleich eine Tochter entführt worden waren, nahmen ahnungsvolle Eltern die schnellste Postkutsche nach Greatna. Aber da war es meist schon zu spät.

Dann noch einmal 350 Kilometer weiter bis Oban, vorbei an der Peripherie von Glasgow und - welch ein Gegensatz - entlang der Ufer des Loch Lomond, dem größten britischen Binnengewässer. Nicht durch seine schöne Lage, tief eingebettet in eine Kette dunkeler bewaldeter Berghänge oder seine vielen gleichsam auf dem Wasser schwebenden Inseln, gilt Loch Lomond als die Queen schottischer Seen, sondern durch seine romantische Verklärung in einem altem Volkslied gleichen Namens, das heimwehkranke Schotten in aller Welt immer wieder anzustimmen pflegen. Loch Ness hat ein Monster, heißt es, doch Loch Lomond ist eine Melodie, ein schottisches Arkadien - läge auf ihm doch nur nicht der Fluch eines feuchten Klimas!     nach unten     nach oben

 

Isle of Mull

Oban ist eines der Tore zu den Hebriden, denn von hier laufen viele Fähren aus, so auch zu dem kaum mehr als ein Dutzend Kilometer entferntem Isle of Mull. Der etwa 45 Kilometer lange Sound of Mull trennt diese Insel vom Festland. Tobermory ist einer der wichtigsten Orte auf Mull und er liegt fast am Ausgang des Sounds, der sich weiter westlich zum Atlantik öffnet.

In Tobermory treffe ich verabredungsgemäß eine Sporttauchergruppe aus London, unter ihnen Keath und Jeane Nicholson, denen ich die Einladung nach Großbritannien verdanke. Die beiden gehörten zu den Gründern und zu der Führungsmannschaft des britischen Tauchsports. Das Hallo ist ebenso groß wie meine Erwartung auf kommende Taucherlebnisse. Und schon am nächsten Tag ergibt sich die Möglichkeit zu einer ersten Erkundung.

Wir treffen uns am Hafen von Tobermory. Hier liegen vertäut die aus London mitgebrachten drei Schlauchboote. Die Tauchbedingungen britischer Gewässer sind rau: oft hoher Wellengang und starke Gezeitenströmungen, Wind, niedrige Temperaturen - jetzt Ende August um 14 °C - und gewöhnlich allenfalls bis zu 10 oder 12 Meter Sichtweite. Ein Trockentauchanzug ist fast das ganze Jahr über Pflicht, die Gezeitentafel ist hier fast genauso wichtig wie eine Dekotabelle. Und für mich Binnenländer ist der Anblick bei Ebbe wie gestrandet auf dem Meeresboden liegender Boote eine ganz neue Erfahrung.

In einem roten Lieferwagen koordiniert und überwacht ein so genannter Tauchmarshall alle Wünsche und Aktivitäten, neben sich diverse Listen, Pläne und über Funk ständig mit den Booten auf See verbunden. Jeden Tag wird ein anderer Taucher als Marshall eingesetzt. Alle Vorbereitungen geschehen in britischer Gelassenheit und als pedantischer Preuße stehe ich natürlich viel zu früh mit dem Tauchergerät bei Fuß.

So gegen elf Uhr rumpelt unser Schlauchboot durch den Sound of Mull. Ich kralle mich mit einer Hand an der Bordwand fest, mit der anderen die Kamera - und irgendwie gelingt es uns beiden, im Boot zu bleiben! Jede Welle grüßt in Form eines harten Stoßes die Bandscheiben und immer wieder überschütten uns Kaskaden eisigen Spritzwassers. Mein Minenspiel wechselt unablässig zwischen Schmerz und Verklärung: Was für eine herrliche Szenerie und wie großartig, hier an Bord sitzen zu dürfen! Dann schluckt uns - endlich - die See.

Das Wasser schimmert grün, doch nicht in reiner Farbe, sondern mit einem leicht gelblichen Ton - gewiss eine Folge stärkeren Planktonvorkommens und durch die vom Gezeitenstrom mitgeführten Schwebeteilchen. Die Sichtweite beträgt etwa 10 Meter. Wir gleiten entlang einer Steilwand hinab und erreichen in 22 Meter Tiefe den Grund.

Überall liegen Steinblöcke herum, auf denen sich allerlei niedere Algen angesiedelt haben. Hier und da sprießen Tangbüschel: manche wie zottige Bärte, andere wie Rasen und Moospolster und noch andere erinnern an Salatblättern. Grüne, oliv- und sandfarbene Töne herrschen vor. Fische sind dagegen wenig zu sehen, nur ab und an mal eine Grundel, kleine Lippfische, Barsche und was da sonst noch herumflösselt. Manchmal stöbert auch etwas Schellfischartiges nach allerlei essbaren Bodentieren.

Die niedere Tierwelt dominiert: Seescheiden, viele Krebstierarten, Seeanemonen und vor allem Stachelhäuter. Ich bekomme hier, mit Ausnahme der seltenen Seegurken, viele Vertreter dieser interessanten Klassen zu Gesicht und vor die Kamera. Und da ich ein Stachelhäuter- und Seeanemonenfan bin, ist natürlich der Film viel zu schnell verschossen. Doch ist das ein Wunder?

Einer der britischen Lieblingsorte ist der Pup, eine Art Bierkneipe. Und hier werden natürlich auch Tauchgarne gesponnen und Taucherkehlen befeuchtet. In Tobermory beispielsweise ist es nichts ungewöhnliches, ein halbes Dutzend tauchanzugbekleideter Gestalten am Tresen stehen und eine Pinte Ale oder Guinnis zischen zu sehen, während an der Pier das Schlauchboot festgemacht ist wie in einem Western vor dem Salon das Pferd. Und ich bekomme im Laufe meines Schottlandaufenthaltes, der kölnischen Freundin sei Dank, immer mehr Verständnis für diese gemütlichen Plätze!

Hatte ich es schon erwähnt? Mein erster Einkauf in Schottland war die Anschaffung eines soliden olivgrünen Regenmantels mit Kapuze. Damit bekleidet und in den von zu Hause mitgebrachten Gummistiefeln gleichen Farbtones steckend, unterschied ich mich, wenigstens äußerlich, kaum noch von den Einheimischen.     nach unten     nach oben

 

Die Rondo und die Hispania

Gordon Ridley, einer der oder der profundeste Kenner schottischer Tauchgewässer und Autor eines mehrbändigen Werkes über die Tauchmöglichkeiten in Schottland, schrieb über den Sound of Mull: „Es gibt mehrere exzellente Wracks, einschließlich der Hispania, die viele Taucher als das besterhaltene Wrack schottischer Gewässer einschätzen. Es gibt unter Wasser sensationelle Klippen und Steilwände . . . und auch einige ausgezeichnete Felsinseln, die ein aufregendes Tauchen erlauben.“ Und er resümiert, dass dieses Gebiet vermutlich nur noch von den Äußeren Hebriden und von der Bucht von Scapa Flow übertroffen wird.

Wir besuchen auch zwei der im Sound of Mull liegenden Wracks, die 80 Meter lange Rondo und die etwa gleichgroße Hispania. Diese beiden Wracks sind relativ leicht zu finden. Das erstere ist schon durch ein leuchtfeuerbestandenes Inselchen nicht zu verfehlen und die Hispania ist zumindest an den Wochenenden an der Traube über ihr befindlicher Schlauchboote zu erkennen. Aber keine Bange, unter Wasser verläuft sich alles!

Die Rondo ruht, mit dem Bug voran, an einem Felsabhang in einer Tiefe zwischen 10 und 50 Meter. Es ist schon eindrucksvoll, vom Heck her über die Schiffsreste hinabschwimmen bis zum Bug. An einer Stelle wölben sich die Spanten wie die Reste eines Walfischskeletts. Und noch schöner ist der Weg und Blick zurück schräg nach oben durch die dunklen Strukturen jenes Skeletts vor der hellgrün schimmernden Oberfläche. Und man ist vielleicht auch ein bisschen froh wie einst Jonas, dem Walfisch wieder zu entkommen.

Die Hispania liegt dagegen aufrecht am Grund und man muss sich zu ihrem Oberdeck etwa 15 bis 20 Meter hinab sinken lassen. Hinter dem wohlklingenden Namen verbirgt sich jedoch nicht, wie zu vermuten, irgendeine alte Galeone oder wenigstens ein pompöses Luxusschiff, sondern ein ganz gewöhnlicher Frachter mit einer Asbestladung.

Auch bei den Wracks gilt: Man muss das Stillwasser abpassen, also jene Stunde annähernder Ruhe bei dem Umschlag zwischen Ebbe und Flut. Der Gezeitenstrom kann hier an manchen Stellen schon mit bis zu fünf Stundenkilometern durch den Sound sausen und dann wird es absolut ungemütlich!

Ich geriet an der Hispania auch in einen solchen „Strömungstauchgang“. Das Schönste bei diesem Erlebnis war immer jener Moment, wo man wieder mal für ein paar Minuten ein geschütztes Fleckchen hinter irgendeinem Wrackteil gefunden hatte. Doch bei Stillwasser lässt es sich herrlich herumstöbern. Nicht nach Überresten, denn die haben gewiss die Heerscharen von Tauchern inzwischen gründlichst abgetragen, sondern mit der Kamera nach Lebendigem.

Überall an Deck, an den Bordwänden wuchern Seenelken und andere Seeanemonen. Röhrenwürmer schwingen ihre gefiederten Tentakel und zart und still und unergründlich ruhen die Seescheiden. Hier und da marschiert ein Seestern im Takt seiner Hunderte von Füßen oder stelzt eine Krabbe hochbeinig daher. Immer wieder bestätigt sich auch die Beobachtung, dass verschiedene Fische Wracks als willkommene Herberge annehmen. Hier geistern vor allem Lippfische durch das Schiff. Die größeren Fische sind allerdings scheu, doch sie werden schon wissen warum! Echte Wrackfotos, beispielsweise Taucher mit Schiff, sind nicht möglich. Zu schlecht ist die Sicht und die überall aufgewirbelten Partikel machen das Fotografieren vollends unmöglich!

Nach 11 Tagen und 14 Tauchgängen, der letzte noch einmal hinab zur Hispania, verlassen wir - bei Nieselregen - wieder Mull. Die nächste Hebrideninsel, die ich besuchen möchte, heißt Isle of Skye. Ich setze wieder auf das Festland über und nach einer 120 Kilometer langen Fahrt durch eine beeindruckende Landschaft mit einer weiteren Fähre zur Isle of Skye. Der Niesel verstärkt sich zu Gepladder. Welcome to Skye!     nach unten     nach oben

 

Isle of Skye

Skye ist die zweitgrößte und - vielleicht - die schönste Insel der Hebriden; auf jeden Fall aber eine der feuchtesten! Die Wikinger nannten Skye die Wolkeninsel und in der gälischen Sprache heißt sie die Nebelinsel. Der Schriftsteller Alexander Smith, der im Sommer 1862 vier Wochen auf Skye verbrachte, klagte: „Während dieser Zeit hatte ich nur vier Tage streckenweise Regen - die restlichen 27 Tage regnete es ununterbrochen.“ Mir aber war Skye meteorologisch wohlgesonnener, denn ich hatte von den hier verbrachten neun Tagen nur ganze sieben mit „streckenweise“ und an einem regnete es überhaupt nicht. Den denkwürdigen ersten trockenen Tag in Schottland erlebte ich also auf Skye, der Regen- und Wolkeninsel!

Skye besteht vor allem aus romantisch anmutenden Heide- und Moorlandschaften, aus der die schwarze, wilde Bergkette der Cullins emporragt, einem westeuropäischen Bergsteigerparadies von 900 Meter Höhe. Ihre meist wolkenverhangenen Gipfel sind von allen Ecken der Insel aus sichtbar, vorausgesetzt, es herrscht ein Wetter, dass man überhaupt etwas sieht.

Skye ist die Heimat des schottischen Clans der Macdonalds, deren heute bekanntester Angehöriger der Schöpfer einer berühmt-berüchtigsten Imbißkette gleichen Namens ist und des Clan ihrer einstigen Intimfeinde, der MacLeods. Armadale Castle, das Stammhaus der Macdonalds, ist nur noch eine Ruine, während - Ironie der Geschichte? - das Oberhaupt der oft erfolglosen und mehrfach bankrott gegangenen MacLeods immer noch in Dunvegan Castle lebt, in der im 9. Jahrhundert gegründeten und nun ältesten bewohnten Burg Schottlands. Vor 150 Jahren lebten auf Skye 23 000 Menschen. Heute bietet es nur noch knapp 8000 Einwohnern meist kärgliche Existenzmöglichkeiten, denn Heide, Moor und Berge sättigen bei den heutigen Ansprüchen allenfalls die Augen der Touristen.

Wir reisen also weiter nach Skye - suchen nach dem im Schottland-Tauchführer angepriesenem „Tauchzentrum Harlosh“, um die Flaschen zu füllen und um uns nach schönen und unproblematischen Tauchplätzen zu erkundigen. Man verweist uns zu der auch als Post eingerichteten Veranda eines ganz normalen Wohnhauses. Das Tauchzentrum entpuppt sich als Scheune mit einer Flaschenfüllanlage, die der Gatte der Postangestellten betreibt. Er hat sein Vorhaben, eine florierende Tauchbasis mit Unterkünften, Bootsverleih und Unterwasserführungen einzurichten, schon längst wieder aufgegeben. Es kamen zu wenig Gäste. Das Wetter, Sie wissen ja, das Wetter . . . Er füllt jedoch die Flaschen und zeigt uns auf der Karte die im äußersten Westen von Skye gelegene Bucht Loch Pooltiel - eine schöne und von den Gezeiten unabhängigen Tauchstelle. Und hier finden wir auch ein recht idyllisches windgeschütztes Fleckchen zum Zelten.     nach unten     nach oben

 

Loch Pooltiel

Es gibt zwei Einstiegsmöglichkeiten: einmal vor zu einer Bootsanlegestelle zu laufen oder direkt vor dem Zeltplatz über die kindskopfgroßen rundlichen Steinblöcke eines Geröllstrandes ins Wasser zu balancieren. Wir balancieren meist und ist diese Wackeltour geschafft, beginnt ein vielleicht 50 Meter breites Laminarienfeld.

Laminarien sind Braunalgen. Sie wachsen vor allem dort, wo sich Felsgründe nur langsam in die Tiefe senken. Die verbreitetsten Arten werden drei bis vier Meter lang und besiedeln im Loch Pooltiel Tiefen bis 10 oder 12 Meter. Wir zwängen uns interessiert durch die Masse der Wedel hinab zum Meeresgrund, um nach den Bewohnern dieses Lebensraumes Umschau zu halten.

Mir gelingen hier, wie auch an dem jenseits des Laminarienfeldes beginnenden und bis 18 Meter Tiefe hinabreichenden kleinem Felsabhang neben Fotos von Seescheiden, kleinen Anemonen, mehreren Stachelhäutern wie Seesterne und fast stoßkugelgroßen Essbaren Seeigeln auch etliche Aufnahmen verschiedener Zehnfußkrebse. Norwegische Biologen beispielsweise ermittelten 83 allein vor ihren Küsten lebende Arten, angefangen von nur wenige Zentimeter langen Garnelen bis hin zu Steinkrabben mit Spannweiten von einem halben Meter. Hier in der schottischen See genannten Region des Atlantiks erscheint mir der Artenreichtum mindest ebenso groß. Die meisten Krebse, die ich erblicke, gehören zu den Krabben.

Krabben besitzen - beispielsweise gegenüber den anderen Zehnfußkrebse wie Langusten, Hummer oder Flusskrebsen - einen verkürzten Körper. Krabben bilden die formenreichste Gruppe zehnfüßiger Krebse, und die meisten Krebse, die ich sehe, gehören zu den Krabben. Und ich komme kaum an einem solchen Tier vorbei, ohne auf den Auslöser zu drücken. Wenn doch nur der Bildvorrat je Tauchgang nicht auf zwölf Aufnahmen beschränkt wäre!

Eine der Krabben, eine Seespinnenart, hat zur Tarnung an den Hakenborsten ihres Körpers kleine Algen befestigt. Auf dem Laminarienblatt ist zwar die Krabbe genauso gut getarnt wie ein schwarzer Schornsteinfeger im Schnee. Vergleicht man jedoch die in der Nähe befindlichen kleinen Algenbüschel - und ihr Farbton wird eher im engeren Lebensraum der Krabbe vorherrschen - so sieht die Sache ganz anders aus!     nach unten     nach oben

 

Dunvegan Castle

Natürlich steht - wie auf Mull - nicht nur Tauchen, sondern auch Sightseeing mit auf dem Programm und ein absolutes Muss ist das bereits erwähnte Dunvegan Castle der MacLeods. Es liegt romantisch an einer Meeresbucht und auf Samuel Johnson, einem Reisenden des 18. Jahrhunderts, wirkt das Castle so beeindruckend, „als sei es an allen vier Seiten am Himmel heruntergelassen, damit ein  Herrscher in ihm wohne.“ Und damit ist auch schon das Wesentlichste gesagt.

Neun Tage und sieben Tauchgänge sind eigentlich wenig; aber schon fuhrwerkt wie ein Ohrwurm im Gehör, der Name Scapa Flow durch die nur allzuwilligen Sinne. Ein Blick auf die Karte zeigt: Das ist ja nun wirklich nicht mehr weit! Oder, bedenke ich, doch lieber zu der Äußeren Hebrideninsel Harris? Auch diese läge an der geplanten Route und für beide Orte gäbe es gute Gründe. Ich verabschiede mich, unentschlossen noch, und knattere zur Fähre bei Kyleakin. An dieser Stelle sind es nur wenige Hundert Meter bis zum Festland. Der Regen - schon wieder! - trommelt ein bye, bye auf das Autodach.

Zwei Tage dauert die gut 400 Kilometer lange wildromantische Tour via Ullapool nach Norden, einschließlich einem Abstecher  nach Lochinver, das von der ältesten Felsformation der Welt umgeben sein soll und dann entlang der kargen Nordküste bis Scrabster.

Die Straßen vieler Regionen Schottlands sind Single track routes, also einspurig gebaut. Alle paar Hundert Meter befinden sich Passing places, mit kennzeichnenden Schildern schon von weitem sichtbare Ausweichstellen. Man entwickelt rasch ein Gefühl für diese Art Fahrtechnik: Entfernung abschätzen, Gas oder nicht, hält der andere oder ich, rauf auf den Passing Place oder dankend vorbei. Das gelingt zunehmend eleganter und manchmal gar ohne wesentliche Bremsmanöver nur mit entsprechend geregelter Geschwindigkeit und einer Kurve in die Ausweichbucht, während der andere vorbeisaust.

In Scrabster liegt der Fährhafen nach Mainland. Es ist also entschieden. Irgendwo hat irgendwas den Ausschlag gegeben: wahrscheinlich die Hoffnung auf eine ganz andere Landschaft und der magische Name Scapa Flow! Und die Hoffnung wird auch nicht enttäuschen. Die Landschaft ist wirklich anders . . .     nach unten     nach oben

 

Orkney Islands

Die Gruppe der 67 Orkney-Inseln, von denen allerdings lediglich 28 bewohnt sind, beginnt etwa 13 Kilometer nördlich des Festlandes. Die wichtigste Orkney-Insel ist Mainland und in ihrem alten Fischereihafen Stromness legen auch die vom Festland kommenden Fährschiffe an.

„Komische Sache, sich umzusehen und leere Landschaft vor sich zu haben - und keinen einzigen Baum. Verstehst du, das sieht irgendwie nicht natürlich aus“, sagt der Held eines Romans von Blackwood, als er aus Kanada auf seine heimatliche Orkney-Insel zurückkehrt. Dieser Satz geht mir durch den Sinn, als ich entlang der Hauptstraßen Mainland umrunde, um mir die Orte und Landschaften, die als Steinkreise erhalten gebliebenen Überreste prähistorischer Kultstätten, die Grabkammer von Maes Howe mit ihren Runeninschriften und das vermutlich 5000 Jahre alte Dorf von Skara Brae anzusehen.

Wir übernachten auf dem in der ersten Septemberhälfte schon recht einsamen Campingplatz in Kirkwall, der etwa 5000 Einwohner beherbergenden Hauptstadt Mainlands - und natürlich ist ihre Besichtigung für mich Pflicht. Das eindrucksvollste Bauwerk Mainlands ist die im 13. bis 15. Jahrhundert entstandene St.-Magnus-Kathedrale und in dieser wie auch in den hauptstädtischen Geschäften stößt man immer wieder auf den Namen Scapa Flow. Wo oder was ist Scapa Flow und was geschah dort?     nach unten     nach oben

 

Scapa Flow

Nun, Scapa Flow ist eine etwa 200 km² messende Wasserfläche, rundum geschlossen von einer Kette sehr unterschiedlich großer Orkney-Inseln; die größten sind Mainland und Hoy. Scapa Flow war im ersten und zweiten Weltkrieg einer der Hauptstützpunkte der britischen Marine und hier gingen auf Befehl der Alliierten am 23. November 1918 auch 74 deutsche Kriegsschiffe vor Anker.

Die Schiffe und Besatzungen galten als interniert, keiner durfte an Land. So warteten rund 4700 Mann an Bord immer sehnsüchtiger auf den Friedensvertrag, der auch den Verbleib der kaiserlichen Flotte regeln sollte. Als das Ultimatum zur Unterzeichnung abgelaufen war und ihr Befehlshaber nichts aus Berlin gehört hatte, wähnte er Deutschland wieder im Kriegszustand und gab den Befehl zur Selbstversenkung. Die Schiffe sollten nicht in die Hände der Alliierten fallen. So wenigstens die offizielle Darstellung der deutschen Marineführung.

Am 21. Juni 1919, kurz vor 11 Uhr, öffneten die Männer die Flutventile und Bullaugen und ruderten an Land. Als letztes Schiff sank gegen 17 Uhr die Hindenburg, aufrecht und mit am Mast flatternder Kriegsfahne. - In den darauf folgenden Monaten und Jahren wurden verschiedene Schiffe gehoben und allerlei Material geborgen. Heute liegen - sehr zur Freude der Sporttaucher - immer noch sieben Kriegsschiffe am Grund.

Im zweiten Weltkrieg geriet die mit ihren Sperren aus Netzen, Minen und den zur Einfahrtsblockade versenkten Schiffen als absolut sicher geltende Bucht von Scapa Flow abermals in die Schlagzeilen. Das U-Boot U 47 unter Kapitänleutnant Prien überwand im Oktober 1939 bei Hochwasser unbemerkt eine sonst seichte Einfahrt an der Ostseite und versenkte das Schlachtschiff Royal Oak und mit ihm 833 Mann. In der St.-Magnus-Kathedrale hängen eine Gedenktafel mit der Flagge und eine Schiffsglocke.

Winston Churchill ließ daraufhin durch italienische Kriegsgefangene Tausende von Zementblöcken gießen und mögliche Einfahrten mit vier Dämmen schließen. Über diese so genannten Churchill-Barrieren rollen heute die Kraftfahrzeuge und beiderseits ragen immer noch Wracks der versenkten Sperrschiffe aus dem Wasser - auch wieder zur Freude der Taucher, denn ein Wrack ist stets ein geheimnisumwitterter Tauchplatz. Über Wasser sehen aus dem Meer ragende Wrackteile allerdings immer kläglich aus.     nach unten     nach oben

 

Tauchen in Scapa Flow

Seit 1977 befinden sich einige Wracks im Besitz des Orkney Island Council, also sie sind Staatseigentum. Andere gehören der Navy und noch andere (Royal Oak und Vanguard) sind geschützte Grabstellen und Kriegsmahnmale. Das Tauchen ist heute, außer an den Blockadeschiffen, nur noch an den orkneyeigenen Wracks gestattet (Brummer, Cöln und Dresden) und bedarf einer Genehmigung durch die Hafenbehörden. Wenn man bei einem der Veranstalter bucht, ist diese Genehmigung mit eingeschlossen. Und es ist nicht erlaubt, irgendein „Souvenir“ aus den Schiffen mitzunehmen!

In der Zeit zwischen Mai und Juni ist auf den Orkneys zwar die Temperatur nicht am höchsten, aber die Regenwahrscheinlichkeit etwas geringer als sonst. Im April herrscht oft noch ziemlich raues Wetter. Nicht zu vergessen: über die flachen Inseln pfeift ewig ein starker Wind und lässt alles viel kühler erscheinen als es eigentlich ist. Der Juni besitzt einen weiteren Vorteil: Durch die nördliche Lage ist es in dieser Zeit unwahrscheinlich lange hell. Wer allerdings 24 Stunden am Tag Licht braucht, müsste zu den Shetlands weiterfahren. Auf keinen Fall in der zweiten Maihälfte und im September reisen: Planktonsuppe! Allerdings variiert das Datum ein wenig in Abhängigkeit von den Wassertemperaturen. Im Oktober dann endet die Tauchsaison in Scapa Flow.

Die Sichtweite in Scapa Flow gilt im Allgemeinen als gut und das heißt, bis zu 15 Meter. Der Verfasser hatte Pech und miesere Verhältnisse. Ausnahmen bestätigen die Regel, heißt es wohl. Vor den Planktonblüteperioden wurde schon gewarnt. Die Sicht kann manchmal noch unter 5 Meter absinken.

Die Wahrscheinlichkeit, dass man wegen schlechten Wetters nicht zum Tauchen kommt, ist durch die geschützte Position der Bucht eher gering. Das Wetter in der Bucht kann ziemlich schnell wechseln und grobe Wellen aufbauen, die allerdings nur den Einstieg zu erschweren vermögen.  Gezeitenströme könnten stören, doch die Ortskundigen kennen die rechte Zeit für Besichtigungen. Generell herrscht in Scapa Flow eine leichte Strömung, die aber zu bewältigen ist.

Die zugänglichen Kriegsschiffswracks liegen in Tiefen bis 36 Meter. Der Grund und viele Teile der Wracks sind von feinen Sedimenten bedeckt, die leicht aufzurühren sind und dann natürlich alles vernebeln.

Schlauchboote können nur in Stromness ausgesetzt werden. Das bedeutet für Individualreisende, Anfahrten bis zu einer Stunde zu den Wracks. Wenn man sie denn findet, denn ihre Lage ist nicht durch Bojen gekennzeichnet - um nur einige Schwierigkeiten zu nennen. Allerdings liegen andere Wracks, etwa die Blockadeschiffe im Burra Sound, selbst für Schnorcheltaucher in erreichbarer Nähe.

Die in Scapa Flow zu verwendende Tauchausrüstung mag die übliche sein, allerdings ohne gute Lampe schaut man ziemlich dumm in dunkele Winkel und sieht nichts und ohne Trockentauchanzug hat man erheblich zu klappern!

Rod Macdonald resümiert: „Eine Woche tauchen in Scapa Flow ist ein hartes Stück Arbeit, aber wenn es mit Gefühl betrieben wird, gehört das mit zu den schönsten Taucherlebnissen auf der Welt.“     nach unten     nach oben

 

Die Kriegsschiffe Karlsruhe und Cöln

Wir streifen natürlich zwischen den Blockadeschiffe herum. Und ich bekomme - wieder Angela sei Dank - auch die Gelegenheit, zweimal auf der Shalder von Alexander Duncan mit hinaus zu den Untergangsstellen der Kriegsschiffe Karlsruhe und Cöln zu fahren und dort zu tauchen.

Die beiden Schiffe gehören in die Klasse der Leichten Zerstörer, haben ein Deplacement von über 5000 Tonnen und sie sind rund 150 Meter lang. Beide Schiffe liegen auf der Steuerbordseite in 24  bzw. die Cöln in 34 Meter Wassertiefe. Während die Karlsruhe schwer beschädigt ist und verschiedene Teile am Grund verstreut herum liegen, ist dagegen das andere Schiff nahezu intakt. Doch ob intakt oder nicht, der Verfasser wenigstens fand das Tauchen an diesen Wracks durch ihre enormen Ausdehnungen und den relativ schlechten Sichtverhältnissen unter Wasser - etwa 6 bis 8 Meter - etwas enttäuschend. Man wusste weder, wo man sich gerade befand noch war viel zu sehen: meist nur schwimmen über nicht enden wollende ebene Flächen, den riesigen Decks und Bordwänden und dabei stets in Sorge, ob man auch den Rückweg zur Wrackboje wieder fände. Dort nämlich musste man auftauchen, um nicht von der Strömung abgetrieben und um vom Tauchkutter ohne Hilfsmanöver wieder aufgenommen zu werden. Und wer wollte sich gegenüber den englischen Tauchern, schon blamieren?

Aber auch hier ist des Verfassers Urteil vielleicht ungerecht und begründet nur durch eine enttäuschte Erwartung und die Kürze der Zeit. Denn was, bitte schön, war eigentlich zu erwarten? Doch gewiss kaum mehr als die Ahnung, wie riesig so ein Schiff ist und die Hoffnung auf eine reichhaltige niedere Tierwelt, die inzwischen von dem Wrack Besitz ergriffen haben musste.

Sie hatte und diese Tierwelt ist hier - wenigstens für den Verfasser und in all den Wracks, die er bisher sah und noch sehen würde, auch das Interessanteste: Ein Teppich von Millionen Schlangensternarmen, Seescheidenkolonien, gelegentlich ein Seestern oder ein Fisch und allenorts herrliche Seeanemonen. Diese Tierwelt war aber nicht nur das Interessanteste, sondern gewöhnlich auch das Einzigste, was ich hier unter Wasser fotografierte. Deshalb erlauben Sie bitte, nicht mehr über Kriegsschiffe, sondern beispielsweise über die fast alle Wracks besiedelnden Seeanemonen zu plaudern.

Die Seeanemonen gehören, neben den Korallen, mit zu den schönsten und bekanntesten Blumentieren. Es gibt keine marinen Schauaquarien, in denen nicht auch einige Seeanemonen zu bewundern wären. Die Seeanemonen sind, wie alle Blumentiere, stets nur als Polypen vorkommende Nesseltiere von zylindrischer Körperform mit meist randständigen Tentakeln. Unter der zentralen Mundöffnung setzt ein Schlundrohr an, das in den durch Scheidewände meist stark gefächerten Magenraum übergeht. Blumentiere ernähren sich überwiegend von kleinen planktischen Organismen, die sie mit ihrem Tentakeln aus dem Wasser filtern. Verschiedene Anemonen verschmähen aber auch nicht größere Nahrungsbrocken wie Krebse und Fische, sofern sie zufällig in die Tentakelfallen geraten, festgehalten und durch das Nesselgift überwältigt werden können. Die Seeanemonen leben stets solitär, also als Einzeltiere. Sie sind häufig nur wenige Zentimeter groß, können aber auch wie einige tropische Riffanemonen, einen Durchmesser bis zu einem Meter erreichen.     nach unten     nach oben

 

Inverness bis Loch Ness

Sechs Tage nach meiner Ankunft verlassen wir wieder die Orkneys, reisen weiter und zurück: quer durch das nördliche Hochland und entlang der Ostküste bis Inverness. Immer wieder sind wundervolle Ausblicke möglich und die beschaulichen Küstenorte und schönen Schlösser stehen in befremdlichem Kontrast zu den Bohrinseln, die hier und da in der Ferne aus der bleigrauen Nordsee emporragen - ein kaum wahrnehmbares Menetekel und ungewiss, ob Segen oder Fluch . . .

Inverness ist eines der wichtigsten Ferien- und Touristenzentren Schottlands mit der entsprechenden Betriebsamkeit. Dem recht modern erscheinendem Inverness sieht man kaum seine vielhundertjährige Geschichte an, aber es war einst die Hauptstadt des Königreiches der Pikten, also einem keltischen Stamm, der ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. Schottland besiedelte und in Inverness stand auch einst das Schloss des Macbeth, bevor es Rächer - Gewalt erzeugt stets Gegengewalt - im 11. Jahrhundert wieder dem Erdboden gleichmachten. Und in Inverness beginnt eine etwas über 300 Kilometer lange herrliche Route entlang einer Kanal- und Seenkette durch das südliche Hochland nach Fort Wiliam an die Ostküste. Der berühmteste dieser Seen ist 38,5 Kilometer lang, bis zu 230 Meter tief und weltberühmt: Loch Ness!

Um es kurz zu fassen: Ich sah natürlich das Monster nicht und tauchte auch nicht in den trüben Fluten. Selbst nach einem Besuch in der Monster Exhibition erscheint mir alles weiterhin wie das Wasser des Loch Ness, nämlich äußerst undurchsichtig. Manche munkeln, Nessi sei bloß eine Erfindung der Schottischen Fremdenindustrie und die wenigstens verdient an dem Ungeheuer nicht schlecht. Aber klingende Münze wiederum war ja auch noch nie ein Beweis für irgendetwas.     nach unten     nach oben

 

Edinburgh

Ich bin eigentlich kein Freund großer Städte mehr, denn ihnen fehlt das überschaubare menschliche Maß; und sei es nur, dass sie sich im Wesentlichen zu Fuß durchmessen lassen müssten wie einst üblich und gegenwärtig noch in den Kleinstädten. Überdies sind die großen Metropolen heute meist überfüllt und viel zu laut. Edinburgh jedoch ist mir nach einem ersten Bummel sofort sympathisch.

Auf der Kuppe eines alten Felsens vulkanischen Ursprungs thront bereits seit dem 7. Jahrhundert eine später immer wieder ausgebaute Burg, die Basis und das Machtzentrum Edinburghs. Ein 1600 Meter langer Straßenzug, die sogenannte Royal Mile, folgt dem Bergkamm sanft hinab zum Holyrood Palace, einst Abtei und Palast und heute der Wohnsitz der Königin bei ihren jährlichen Schottlandbesuchen.

Entlang und beiderseits der Royal Mile wuchs das mittelalterliche Edinburgh, überrundete Perth an Bedeutung und wurde an dessen Stelle 1452 zur neuen schottischen Hauptstadt ernannt. Die Einwohnerzahl nahm stetig zu und die Häuser wurden immer höher, um all die Leute auch innerhalb der Stadtgrenzen unterzubringen. Bald schon waren - man beachte, im 17. Jahrhundert! - sieben bis elf Etagen üblich und das höchste Haus besaß gar 15 Stockwerke: die ersten Hochhäuser der Welt.

Ab 1767 entstand nördlich des Schlossbergs die helle, freundliche und seinerzeit vorausschauend schon auf drei Stockwerke begrenzte Neustadt, in der jetzt die begehrtesten und teuersten Wohnungen liegen. Diese Neustadt ist heute das größte Denkmalsschutzgebiet Großbritanniens. Damals allerdings verließen die Edinburgher ungern die Stadt, um „draußen auf dem Lande“ zu bauen. Der Bürgermeister stellte deshalb dafür eine Prämie von 20 Pfund in Aussicht. Aber in „Neubaugebieten“ ist anscheinend das Fotografieren schwierig. Deshalb habe ich, fällt mir später auf, nur Bilder aus der Altstadt und die beginnt am Fuße des Schlossbergs jenseits des Edinburgher Wahrzeichens, dem 1844 errichteten Walter-Scott-Denkmal.     nach unten     nach oben

 

Isle of Arran

Doch so schön Edinburgh auch ist, länger als drei Tage halte ich es meist nur schwer in Großstädten aus. Deshalb fahre ich erneut quer durch Schottland wieder hinüber zur Westküste und setze ein letztes Mal auf eine Insel der Inneren Hebriden über und zwar auf die Isle of Arran.

Von Arran heißt es, die etwa 33 Kilometer lange und 18 Kilometer breite Insel repräsentiere einen Querschnitt durch alle schottischen Landschaften, einschließlich Mooren, Heideflächen, Wälder, elf über 600 Meter hohen Bergen, Sandstränden wie auch fast dramatischen Küstenlandschaften und einigen seltenen Tierarten. Nur den Robben geht es hier genauso schlecht wie an anderen Gestaden.

Auf Arran sind etwa zehn Dörfer zu unterscheiden und in ihnen leben rund 3500 Menschen und zwar in der Saison vor allem von den Feriengästen. In der Hochsaison sind die Fähren wochenlang vorher ausgebucht, denn von Glasgow bis zum Fährhafen Adrossan sind es nur 60 Kilometer. Aber Touristengettos sind in Schottland offensichtlich unbekannt und nachdem ich Arran auf der gut 90 Kilometer langen Küstenstraße umrundet habe, gelange ich zu der Überzeugung, dass dies wohl auch eine gemütliche Ferieninsel sei.

Ich finde einen idyllischen Stellplatz mit fließend kaltem Wasser und einer geschützten Einstiegsstelle, um mich wenigstens und zumeist schnorchelnd im Küstenvorfeld umzuschauen. „Wildes Zelten“ ist übrigens überall erlaubt, sofern es sich nicht um Privatgrundstücke handelt. Ich bleibe fünf Tage auf Adrossan, und an einem scheint sogar den ganzen Tag die Sonne!     nach unten     nach oben

 

Heimfahrt

Ende September überquere ich erneut die schottische Grenze, nun jedoch in Richtung London. Die Tachometerräder drehten sich inzwischen um 3600 Kilometer weiter. Und wenn ich wieder in Berlin ankomme, wird das rüstige Gefährt um fast 8000 Kilometer gealtert sein!

In London wohne ich noch vier Tage bei Keath und Jeane. Doch so interessant es auch ist, all jene Orte in natura zu sehen, die man bisher lediglich aus Filmen kannte, mein Herz weilt immer noch in der wilden Natur und Einsamkeit schottischer Landschaften.

Selbst ein Besuch in der bekannten Sternwarte mit dem Nullmeridian in Greenwich, wo man sich natürlich das kindliche Vergnügen leistete, mit dem einen Bein auf der Osthalbkugel und mit dem anderen auf der Westhalbkugel der Erde zu stehen, der berühmte Blick vom Richmond Hill, die Besichtigung des im 16. Jahrhunderts erbauten Schlosses Hampton Court, in dem u. a. die fünf Frauen Heinrichs VIII. gelebt hatten - die Zimmerflucht für die sechste Frau wurde erst nach ihrer Hinrichtung fertig (auch so lösten Könige Wohnungsbauprobleme!) - oder der Abstecher nach Portsmouth mit seinen berühmten Marinemuseen bewirkte kaum einen Sinneswandel.

Die Bevorzugung herrlicher Schöpfungen der Natur gegenüber den Wunderwerken von Menschenhand ist aber meine ganz persönliche Entscheidung. Sie beweist nichts und besagt auch nichts in dem möglichen Streit, welche Dinge höher zu bewerten sein. Jeder Mensch hegt und pflegt seine eigenen Vorurteile und Neigungen, und meine gelten nun einmal vor allem den Landschaften, den Seen und Meeren und den vielfältigsten Vorgängen und Lebensformen in der Unterwasserwelt.


nach oben  |   home  |   zurück zum Inhaltsverzeichnis

Für Nachfragen per E-Mail