Jeder Beginn pflegt sich im Dunkel der Vorzeit zu
verlieren. So auch in der Geschichte des Tauchens. Einige frühe Daten sind
bekannt, etliches indes ist vage und ungenau. Aber wenn man schon in den
Brunnen der Anfänge hinabsteigen möchte, die Jahrtausende benennen, in dem
unsere Geschichte beginnen könnte, so führten die ersten Spuren vielleicht
zurück bis in die Jahrtausende der Mittelsteinzeit.
8000-5000
v. Chr.
- In den
Überresten vorgeschichtlicher Siedlungsstellen in Strandnähe, besonders in
dem dänischen Kjökkenmöddinger (dän. für Abfallhaufen) der Mittelsteinzeit,
finden sich u. a. Schneckengehäuse und Muschelschalen, die wohl nur tauchend
aus dem Meer geholt werden konnten.
6000 v. Chr.
- Von den
wohlhabenden Frauen aus Babylon wird erzählt, dass sie sich mit Perlen
schmückten.
5000 v. Chr.
- Tim Ecott (2002)
berichtet, dass man an der Küste von Atacama in Chile mumifizierte
menschliche Überreste gefunden habe, bei denen Walknochen und aus Perlmutt
geschnitzte Angelhaken lagen. Und durch Wucherungen verdickte Ohrknöchelchen
deuteten auf längere und häufigere Aufenthalte in kaltem Wasser. Hatten sie
ihre Nahrung auch im Meer gesammelt?
4500 v. Chr.
- In den
Siedlungsresten von Bismaya (Babylon) werden Einlegearbeiten aus Perlmutt
gefunden. Aus der Art und Menge des verarbeiteten Perlmutts wird
geschlossen, dass die Muscheln Taucher geborgen haben mussten.
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3200 v. Chr.
- Im ägyptischen
Theben werden Perlmuttschalen für Schnitzarbeiten verwendet.
2899-2800
v. Chr.
- In dem
sumerischen „Epos von Gilgamesch wird im 11. Lied berichtet, dass
Gilgamesch, der Führer der Stadt Uruk, mit Steinen beschwert ins Meer
taucht, um ein Wunderkraut zur Verjüngung zu pflücken. Die auf Tontafeln geschriebenen Verse
existierten in vier altertümlichen Sprachen und lagen in der Bibliothek des
Assyrischen Königs Assurbanipal in Ninive.
2000 v. Chr.
- Wilde Stämme
zahlen dem Chinesenkaiser Yu Tribut auch in Form von Fischen und
Austernperlen.
- Auch aus
ungefähr dieser Zeit stammt eine assyrische Inschrift, in der ein Kaufmann
den Empfang eines Pakets von Perlen aus Bahrain bestätigt.
1500 v. Chr.
- Etwa um diese
Zeit lösen die Phönizier die Kreter als bedeutendstes Seefahrervolk der
Antike ab, erforschen das Mittelmeer, die Küsten des Roten Meeres, Somalia,
Arabien, Indien, vielleicht sogar China und entdecken die Kanarischen Inseln
und die Scilly-Inseln (Jung).
- Aus etwa dieser
Zeit steht geschrieben bei Ezechiel 27, 16-23: „O Tyrus, die Syrer haben bei
dir geholt deine Arbeit, was du gemacht hast, und Rubine, Purpur, Teppiche,
feine Leinwand und Korallen und Kristalle auf deine Märkte gebracht.“
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1000 v. Chr.
- In der
griechischen Mythologie verwandelte sich Glaukos, ein wegen seiner
Tauchkunst berühmter Fischer, in einen durch seine Weissagungen beliebten
Meeresgott, halb Fisch, halb Mensch.
- Die Phönizier
werden auch durch den Export von Purpur eine der reichsten Handelsmächte im
Mittelmeerraum. Purpur wird aus riesigen Mengen mariner Murex-Schnecken
gewonnen, die man wohl auch tauchend einsammeln musste.
886 oder 885
v. Chr.
- Ein im
Britischen Museum in London aufbewahrtes assyrisches Relief aus dem Palast
des Königs Assur-Nazir-Pal zeigt Schwimmer mit vor der Brust befestigten
Luftsäcken mit Mundstücken. Manche Autoren glauben, diese könnten auch zum
Tauchen benutzt worden sein. Aber viel wahrscheinlicher: Es sind
Schwimmhilfen.
799-700 v. Chr.
- Homer, dessen
Existenz man heute in das 8. Jh. v. Chr. legt, berichtet über die „...
Verwendung von Schwämmen. Fischer, die nach Schwämmen tauchen, müssen häufig
tiefer als 22 m gehen, um bessere Exemplare zu bergen“ (Vallintine 1981).
Und Latil et Rivoire (1956) zitieren: „Mit welch ungewöhnlicher Leichtigkeit
er taucht“. In meiner von J. H. Voß übersetzten Ausgabe indes berichten die
Verse 677-681 nur von Apollons Eingreifen in die Schlacht um Troja.
685 v. Chr.
- Plinius
berichtet, dass auch Taucher der 685 v. Chr. gegründeten griechischen
Siedlung Chalcedon am Bosporus Kupfererz förderten.
550 v. Chr.
- Im Roten Meer
und im Persischen Golf werden in größerem Umfang von Tauchern Perlen
geborgen, und dieser Geschäftszweig breitet sich aus bis Indien und Ceylon.
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500-200
v. Chr.
Vor ungefähr 2000
bis 2500 Jahren erreichte die Taucherei ihren ersten Höhepunkt. In den
klassischen griechischen Stadtstaaten und später im Römischen Reich
entstanden regelrechte Tauchergewerbe. Es ist kein Zufall, dass die
Taucherei in jener Zeit und Region ihre erste Blüte erlebte. Erst die
Massensklaverei ermöglichte den Aufschwung des klassischen Griechenlands.
Die Sklaven wurden rücksichtslos ausgebeutet. Es entstand eine reiche
Oberschicht. Die Sklavenhalter brauchten nicht mehr zu arbeiten und konnten
daher kulturellen Beschäftigungen nachgehen. Auch die Körperpflege stand
hoch im Kurs. Die reicheren Griechen und Römer trieben häufig Sport und
pflegten ausgiebig zu baden, wodurch ein großer Bedarf an Schwämmen
entstand. Immer mehr Bürger konnten sich auch erlesene Delikatessen wie
bestimmte Muscheln, seltene Farbstoffe, beispielsweise das aus Schnecken
gewonnene Purpur, und schöne Schmuckstücke wie Perlen und Korallen leisten.
Schwämme, Austern, Purpurschnecken, Perlmuscheln und Korallen aber mussten
aus dem Meer geborgen werden. Günstig war außerdem, dass das Mittelmeer klar
und nicht zu kalt ist und den Taucher gefährdende Tiere recht selten sind.
Vier Faktoren wirkten also hier zusammen: gesellschaftlicher Bedarf, das
Artenvorkommen, ein relativ „menschenfreundliches“ Meer und seine Nähe zu
den klassischen Stadtstaaten. Daher ist es kaum verwunderlich, dass in
dieser Zeit und diesem Raum der erste Ansturm auf die Tiefe einsetzte und
mit dem Ende jener Kulturen - spätestens um den Beginn unserer Zeitrechnung
- zunächst auch wieder verebbte (Gierschner, 1984).
500 v. Chr.
- Der griechische
Gelehrte und Forschungsreisende Hekataios von Milet verfasst eine
„Erdbeschreibung“. Auf der ihr entsprechenden kreisrunden Weltkarte liegt
das Mittelmeer im Zentrum. Es ist umgeben von den außen abgerundeten
Landmassen Europas, Vorderasiens und Nordafrikas. Der Rand der
scheibenförmigen Karte wird umspült vom unheildrohenden „Okeanos“. Die
Straße von Gibraltar trägt den in der gesamten Antike gebräuchlichen Namen
„Säulen des Herakles“ (Jung).
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450 v. Chr.
- Wie Herodot etwa
um diese Zeit berichtet, sei der Lazedämonier Skyllias bei Aphetae ins Meer
gestiegen „... und nicht eher hervorgekommen, bis er bei Artemission war,
also ungefähr einen Weg von 80 Stadien durch das Meer gemacht habe.“ Der
Taucher Skyllias wird berühmt durch die Bergung von Gold und Silber, das die
Perser bei einem Schiffbruch unweit Pylae verloren hatten. Und seine
ausgezeichnet tauchende Tochter Hydna (Cyana) gilt als Erste namentlich
erwähnte Taucherin. Sie hilft ihm auch, als Skyllias vor dem Pelion-Gebirge
die Ankertaue der feindlichen Flotte Xerxes kappt. In Delphi wird ihr zu
Ehren eine Weihestatue aufgestellt. Eine Kopie davon soll die „Venus von
Esquilin“ sein. Auch Pausanias schreibt über die beiden Taucher und endet
seinen Bericht mit der interessanten Anmerkung: „Die Tauchkunst wird von
Frauen nur so lange betrieben, wie sie Jungfrauen sind.“
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431-404 v. Chr.
- Wie Thukydides in der Geschichte des Peloponnesischen
Krieges erzählt, zerstören griechische Taucher die Unterwasserbollwerke des
Hafens von Syrakus. Die Athener ziehen die eingerammten spitzen Pfähle mit
Winden heraus und lassen von Tauchern die Reste absägen.
332 v. Chr.
- Als Alexander
der Große Tyros belagert, kappen gegnerische Taucher die Ankertaue seiner
Schiffe, mit denen Alexander die Hafenstadt vom Meer her abriegelt.
330 v. Chr.
- Der griechische
Philosoph Aristoteles vergleicht ein Gerät der Taucher mit dem Rüssel des
Elefanten, den dieser zum Atmen über den Kopf hebt, wenn er einen tieferen
Fluss durchqueren muss. Außerdem berichtet Aristoteles von einem Kessel, den
Taucher mit hinab nehmen, um sich mit Atemluft zu versorgen. Eine
Taucherglocke en miniature!
330-325 v. Chr.
- Etwa um diese
Zeit sollen Alexander der Große und sein Admiral Nearchos mit einem
Tauchapparat im Indischen Ozean für einige Stunden unter Wasser geblieben
sein. Die Angaben sind widersprüchlich und Foëx (1966) farbige Schilderung
ist, wie alles um Alexanders Tauchversuch, nicht belegt. Realer Kern indes
mag sein, dass Alexander mit einer Tonne als Minitaucherglocke im Tigris
mehrfach Tauchversuche unternimmt - nach einer Schrift seines ehemaligen
Lehrers Aristoteles durchaus möglicher Stand der Technik.
325 v. Chr.
- Der griechische
Astronom und Geograf Pytheas unternimmt die erste große
naturwissenschaftliche Reise zur Erforschung des Meeres. Er segelt nach
England und Island, berichtet von Meereis und Polarlichterscheinungen,
wendet astronomische Messungen an, um ein Verfahren zur Bestimmung der
geografischen Breite zu entwickeln, und äußert den Gedanken, dass die
Gezeiten vom Mond beeinflusst sein könnten (Jung).
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300 v. Chr.
- Bei Isidor von
Charax findet sich die Angabe, dass Perlentaucher manchmal bis in eine Tiefe
von 20 orgyca (Klafter = 37 m) hinabtauchen.
268 v. Chr.
- In dem in Japan
geschriebenen Gishi-Wajin-Den werden bereits um diese Zeit japanische
Perlentaucherinnen, die Amas, erwähnt. Die Amas setzen diese
Tradition bis heute fort.
210 v. Chr.
- Philon de
Bycance berichtet, dass man mit Hilfe einer Taucherglocke den Silberschatz
eines gesunkenen Schiffes aus 32 m Tiefe geborgen habe. Auch schreibt er in
seinem „De Selorum Constructione“: „Um zu vermeiden, dass in flachem Wasser
Ankerseile von Tauchern gekappt werden, soll man Ankerketten verwenden. Und
damit Taucher nicht die Bordwände von Schiffen bewaffneter Soldaten
durchbohren, soll man Wachen auf Deck aufstellen, die nach Tauchern unter
der Oberfläche Ausschau halten“ (Latil et Rivoire 1956).
168 v. Chr.
- Wie der römische
Geschichtsschreiber Livius Titus erzählt, holen zu der Zeit, als Perseus
König von Makedonien ist, Taucher zahlreiche Schätze aus dem Meer.
100 v. Chr.-100
- Vielleicht aus
der Zeit um 100 Jahre vor bis 100 Jahre nach Chr. stammt eine Inschrift aus
Rom, die von einer am Tiber beheimateten Genossenschaft von Fischern und
Tauchern spricht: „piscatrum et urinatorum alvei Tiberis“ (Kapitän 1961, S.
1092).
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67 v. Chr.
- Foëx (1966)
erzählt, wie in der Alexander-Legende, mit vielen schönen Worten von dem
Einsatz eines römischen Kriegers namens Tibur. Dieser kappt schwimmend und
tauchend die Ankertaue eines zu kapernden Schiffes - und verliert dabei sein
Leben. In der deutschen Ausgabe und auch bei Männche (1993) finden sich dazu
leider keine Quellennachweise. Der Sachverhalt ist höchst vage!
49 v. Chr.
- Der lateinische
Dichter Lukan (Lucanus) erzählt in seinem Epos „Pharsalia“, das den
Bürgerkrieg zwischen Cäsar und Pompeius behandelt, auch über die Belagerung
Marseilles durch Cäsars Streitkräfte. Er erwähnt einen Taucher aus dieser
Stadt namens Phoceus bzw. Phocaicus, der freitauchend allerlei
Taucherarbeiten verrichtete.
35 v. Chr.
- In einer von
Plutarch erzählten Geschichte möchte Antonius vor Cleopatra bei einem
Angelwettbewerb angeben. Einer seiner levantinischen Taucher befestigt
Fische an Antonius’ Angel. Cleopatra bemerkt den Schwindel und lässt durch
ihren Taucher Antonius einen geräucherten Hering fangen!
10 v. Chr.
- Livius berichtet
über den Einsatz von Tauchern beim Bergen von Schätzen.
- Der römische
Dichter Ovid, eigentlich Publius Ovidius Naso, erzählt in seiner römischen
Überlieferung über Aesacus, dass zu Ehren des Gottes Dyonisos auf dem
Peloponnes jährlich Taucher- und Schiffswettkämpfe stattfinden.
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